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Płock

Płock - Kathedrale; Quelle: K.M. Różański, wikimedia commons Płock - Schloss; Quelle: wikimedia commons

Der Ort
Płock ist eine der ältesten Städte Polens, war im 12. Jahrhundert kurze Zeit Hauptstadt; während der Teilungszeit zeitweise von Preußen und danach von Russland beherrscht; 1918 wieder Teil der Republik Polen. Płock ist heute - jenseits des alten Kerns - eine Industriestadt (größte  polnische - Raffinerie, Werft) und hat 118.000 Einwohner*innen (2020). Auf einem Hügel oberhalb der Weichsel befinden sich u.a. die Kathedrale und das Schloss. Von Warschau mit der Bahn 2 - 3 Std., mit dem Auto 130 km (über A2, DK 50, DK 62).

 

Die Ereignisse

Płock wurde nach Ende des 1.Weltkriegs und der zaristischen Herrschaft ein offenes Städtchen. Es gab zahlreiche Sportvereine und Jugendgruppen, auch in der jüdischen Bevölkerung (zeitweise1/3 der Bevölkerung); Mitglieder waren in den 30er Jahren u.a. Herman Kruk (1897 – 1944) und Rozka Korczak (1921-1988); sie gingen bei Kriegsbeginn nach Wilna (heute: Vilnius), Litauen, s. dort.


Kriegsbeginn, NS-deutsche Besatzung

Verhaftungen, Erschießungen, „Umsiedlung“, Zwangsarbeit von  Polen 
Płock, Rathaus am Alten Markt (stary rynek); Foto: wikimedia commons

Anfang September 1939 fielen erste deutsche Bomben auf die Stadt. Die Wehrmacht besetzte die Stadt am 8. September. Plock wurde am 7. Oktober 1939 dem Regierungsbezirk Zichenau in Ostpreußen zugeordnet und dann vom Reich annektiert.

 

Wie in den anderen besetzten Gebieten verhafteten und ermordeten deutsche Einheiten zwischen Oktober 1939 und Februar 1940 im Rahmen der 'Intelligenzaktion' und der 'Außerordentlichen Befriedungsaktion' etwa 200 Angehörige der polnischen Intelligenz, teils nach vorbereiteten Listen (vgl. Sonderfahndungsliste Polen), viele im  nahen Wald von Łąck: z.B. Lehrer, polnische Aktivisten, Ladenbesitzer, Apotheker, Unternehmer, Militärs. Zwischen April und Juni 1940 wurden weitere 2000 polnische Bürger verhaftet, 200 in das örtliche Gefängnis gesperrt. Erzbischof Nowowiejski und Weihbischof Wetmański starben 1941 unter der Folter im Lager Soldau/Dzialdowo (heute: Woiwodschaft Ermland-Masuren). Neben dem SS-Einsatzkommando 16 war auch das – zeitweise in Plock stationierte - Polizeibataillon 13  ('Ordnungspolizei') an der „Auschaltung der polnischen Führungsschichten“ sowie an der Deportation von Juden beteiligt; vgl. Klempp, a.a.O., S. 121f., 492. 1940 ermorderten die Besatzer 80 alte und behinderte Menschen in einem Nachbardorf; Quelle: Martina Wardzyńska: Byl rok 939, IPN Warszawa, S. 224ff, 225f., 230; https://www.memorialmuseums.org/denkmaeler/view/1445/Ehemaliges-SS-Lager-Soldau ).

Płock, plac 13 Straconych1 - Quelle: Pozkaniezykla.pl Płock, plac 13 Straconych2 – Abiturient*innen läuten die Friedensglocke: Quelle: wyborcza Plock

1939/40 wiesen die Besatzer zahlreiche polnische Männer und Frauen in das Generalgouvernement aus, Rückkehr war verboten (sog. „Umsiedlung“): ca. 1.300, im Februar 1941 über 4.000 in das Lager Soldau/Dzialdowo. Sie verschleppten Polen und Polinnen als Zwangsarbeiter*innen ins Deutsche Reich. Sie betrieben zwei Arbeitslager neben dem Gefängnis und ein „Arbeitserziehungslager“ im Ort; häufigste Haft-Gründe waren – angeblich – keine oder zu geringe Ablieferung landwirtschaftlicher Produkte. Im September 1942 erhängten die Nazis 13 Einwohner von Plock; jedes Jahr läuten Abiturienten die Friedensglocke, „damit es nie wieder Krieg gibt“ (am Plac13 Straconych, nahe Rynek/Marktplatz). Ab 1943 deportierte die Sicherheitspolizei hunderte - auch jugendliche – Polinnen und Polen in das KZ Stutthof, nördlich von Danzig.

Über 11.000 Einwohner*innen (jüdische und polnische) wurden getötet, das historische Theatergebäude abgerissen und das jüdische Viertel zerstört.

 

Judenverfolgung, Ghetto, Deportation in Todeslager

Die jüdische Gemeinde ist seit 1237 nachgewiesen. Seit der Neuzeit befand sich ihr Wohnviertel um die Straße Szeroka (heute: Kwiatka). 1939 wohnten etwa 6.300 Juden in Płock, viele waren Händler und Handwerker, es gab zwei „jüdische“ Fabriken und drei Banken. Viele Geschäfte, Werkstätten, Läden hatten sich entlang der Szeroka-Straße angesiedelt. Als die sog. Zivilverwaltung eingeführt wurde, d.h. die NS-Partei, Gestapo und SS das Sagen hatten, begann die Verfolgung: Beschlagnahme jüdischer Geschäfte, Juden wurden zu schweren Arbeiten verpflichtet, religiöse Juden sadistisch behandelt (z.B. Abschneiden der Bärte).

Płock, Große Synagoge (Foto zw. 1939 und 1945; Quelle: Ghetto Fighters House) Płock, Blick in ul. Szeroka, ca. 1930er Jahre; Quelle: Jewish Plock

Am 15. Oktober 1939 gaben die Besatzer zehn jüdischen Notablen auf, wegen „Illoyalität gegenüber den Deutschen“ müsse die jüdische Bevölkerung eine Strafe von 1 Mio Źloty zahlen – sie sollten das Geld innerhalb von 3 Stunden einsammeln, drei Männer wurden als Geiseln zurückbehalten. Nach Diskussionen „begnügten“ sich die Deutschen mit ½ Mio Źl. plus Bankkrediten.

Die Große Synagoge missbrauchten die Besatzer als Garage/Lagerraum, sie wurde nach dem Krieg abgerissen. Die Kleine Synagoge (mala Synagoga) wurde nach dem Krieg bis 1992 als Strickwarenfabrik genutzt. Seit 2013 ist in ihr das Museum der masowischen Juden untergebracht (https://de.wikipedia.org/wiki/Kleine_Synagoge_%28P%C5%82ock%29 ); s.unten.

Ende Oktober 1939 wurden alle jüdischen Geschäfte geschlossen und beschlagnahmt; gelbe Plakate „jüdisch – geschlossen“ wurden angeklebt. Ein Dekret verbot Juden u.a. Tätigkeiten in Industrie und Handel.

Ghetto

Ab 15.3.1940 wurde das (Ordnungs-)Polizeibataillon 13 von Königsberg nach Płock (umbenannt in “Schröttersburg“) verlegt; es blieb bis Juni 1941 - nach Ende der Deportationen, s.u.). Am 1. September 1940 schufen die Besatzer ein Ghetto – in den Straßen Kwiatka (damals Szeroka), Tylna, Synagogalna, Jerozolimska, Niecala und Bielska (teilweise). Es war „offen“, die Tore/Zugänge wurden von Ordnungspolizisten bewacht. Die Bewohner*Innen durften das Ghetto nur mit Spezialausweis der deutschen Behörden verlassen.

Ende 1940 waren etwa 10.000 jüdische Menschen im Ghetto eingesperrt, darunter 3.000 Flüchtlinge aus umliegenden jüdischen Gemeinden. Mit Hilfe des Judenrats öffneten u.a. eine Bäckerei, Geschäfte, Krankenstation, Kinderheim, Süppenküche.

Die Besatzer nahmen 30 Friseure der Kooperative fest, töteten einige im Gefängnis und verschleppten die anderen in das Lager Dzialdowo/Soldau (Woiwod. Masuren-Ermland, 95 km nördlich) – sie verbreiteten Angst und Schrecken im Vorfeld der Deportationen. Wenige Tage später wurden 25 Männer verhaftet und durch Kopfschüsse getötet. Ende Januar 1941 erschossen sie die Bewohner des jüdischen Altersheims.

Deportationen nach Dzialdowo/Soldau  und ...

Die Nazis umstellten das Ghetto in der Nacht 20./21. Februar 1941. Ihre Deportation wurde den Juden frühmorgens um 4 Uhr mitgeteilt. Soldaten des Polizeibataillons 13 stürmten in die Ghetto-Klinik und befahlen den - alten und hinfälligen – Patienten, in 5 Minuten das Haus zu verlassen; sie legten sich auf sie und schlugen viele tot. Sie konzentrierten die Juden in der Szeroka- (heute: Kwiatka-)Straße, zwischen  Synagoge und Bielska-Straße (s. ob. Foto). Nachmittags wurden die ersten der etwa 4.000 jüdischen  Menschen in das Lager Dzialdowo/Soldau deportiert. Mit der 2. Deportation am 1./2. März 1941 wurden weitere 6.000 Jüdinnen und Juden dorthin verschleppt.

Płock, Deportation, „Sammelplatz“ ; Quelle: jewishPlock.EU Płock: „Umgesiedelte“ und später nach Treblinka deportierte jüdische Männer und Frauen ; Quelle: https://collections.ushmm.org/search/catalog/pa1136612)

Sie blieben nur wenige Tage bzw. Wochen in dem primitiven Lager. Ende Februar/Anfang März wurden sie nach und nach in ungefähr 20 Gemeinden im Distrikt Radom (Generalgouvernement) verteilt, oft in Orte mit Zwangsarbeitslagern, z.B. Skarżysko Kamienna, Tomaszów Mazowiecki, Chmielnik, Kielce (und von dort 1000 Menschen weiter nach Nova Slupia), Zarnów; Anfang März wurden 1000 Juden aus Plock von Dzialdowo nach Radom transportiert, 1200 von Kielce nach Czestochowa und 700 von Radom nach Bliżyn und so weiter. Von diesen Orten wurden sie im Jahr 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort mit Gas ermordet.

Nur wenige überlebten, einer war Moshe Ba(c)hir (Szklarek), geb. 19.7.1927 in Płock, beteiligt am Aufstand in Sobibor, gest. 2002 in Gedera, Israel.

 

Nach der Befreiung

Plock und Umgebung wurden am 17.1.1945 von sowjetischen Truppen befreit. In den Monaten danach kehrten etwa 300, meist alte jüdische Menschen in die Stadt zurück – aus den Lagern, anderen Dörfern, aus Ost-Polen. Sie versuchten einen neuen Anfang, viele verließen bald die Stadt, 1959 lebten noch drei von ihnen in der Stadt.

 

Erinnerung und Gedenken

Płock, Laubhütte, ul. Mostowa; Quelle: sztetl.org.pl *) Płock, Kunstgalerie, früher Mikwe; Quelle sztetl.org.pl

Viele der zerstörten Häuser in der ul. Kwiatka (damals: ul. Szeroka), wurden wieder aufgebaut. Die bis 1912 genutzte mikwe (Frauenbadehaus) wurde 1998 an die jüd. Gemeinde Übergeben,; die Stadt hat es gepachtet und nutzt es als Gemäldegalerie 'Plocka Galeria Sztuki'; ul. Sienkiewicza 36. Einige traditionelle Laubhütten zur Feier des sukkot (jüdisches Laubhüttenfest) haben Krieg und Besatzung überstanden;  z.B. am Gebäude in der Kościuszki-Straße 4 (sichtbar von der Mostowa Straße 3; nicht weit von Muzeum Mazowieckie); sie wurden benutzt während des jüdischen Sukkot-Festes, das über mehrere Tage ging; mehr dazu: vgl. https://sztetl.org.pl/pl/file/107481?ref=gallery (mit Fotos); https://jewishplock.eu/en/the-sukkot-of-plock/; https://de.wikipedia.org/wiki/Sukkot

*) https://sztetl.org.pl/pl/miejscowosci/p/414-plock/113-zabytki-kultury-materialnej/27882-kuczka-w-plocku-ul-mostowa-3

Płock - Jüdisches Museum; Quelle: Jolanta Dyr, wikimedia commons Płock - Jüd. Museum – Blick ins Innere; Quelle: Jolanta Dyr, wikimedia commons

Płock - (neuer) Jüdischer Friedhof; Foto: Olegs  ChepIn der ehem. kleinen Synagoge ist das Museum der Masowischen Juden eingerichtet  worden. Es zeigt Bücher, Gegenstände und Bilder betr. das religiöse und private jüdische Leben (Muzeum Żydów Mazowieckich w Płocku), ul. Jozefa Kwiatka 7.

 

Der (neue) Jüdische Friedhof befindet sich ul.13 Adama Mickiewicza, der alte liegt an der

ul.3 maja 6.

 

Literatur/Medien

Miron, Guy/Shulhani, Shlomit (Hg.): Das Yad Vashem Lexikon der Ghettos während des Holocaust, Göttingen u. Yad Vashem 2014, S. 606f.
Klemp, Stefan: Nicht ermittelt. Polizeibataillone und die Nachkriegsjustiz. Ein Handbuch, 2. Auflage, Essen 2011

http://malachowianka.plock.org.pl/historia_plocka /  (Geschichte von Płock)

https://80.jewishplock.eu/english/ (The Jews of Plock 1939-1945; online-Ausstellung zum 80. Jahrestag der Ghetto-“Liquidierung“: Berichte, Zitate, Fotos..)

http://www.zchor.org/plock/pl5.htm  

https://www.jewishgen.org/yizkor/plock/plo070.htm

https://www.das-polen-magazin.de/juedisches-museum-in-ehemaliger-synagoge-von-plock

https://jewishplock.eu/en/the-sukkot-of-plock/      

GPS wikipedia.org/wiki/P%C5%82ock

https://fr.wikipedia.org/wiki/Histoire_des_Juifs_%C3%A0_P%C5%82ock

 

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