Region Hauts-de-France/Picardie, Departement Aisne
Der Ort
Städtchen von etwa 5100 Einwohner/innen an der Oise, im Norden des Departements. Mit dem Auto von Laon 41 km (D 946), von Saint-Quentin 27 km (D 1029 = E 44).
'Familistère'
Der Herdfabrikant und utopische Sozialist J.B. André Godin ließ Mitte des 19. Jahrhunderts nahe seiner Fabrik die 'Familistère' einen Komplex von Wohnungen, Kinderkrippen, Schule, Badehaus und Theater für die Familien seiner Arbeiter/innen errichten und wandelte den Betrieb in eine Genossenschaft um. Heute Eigentumswohnungen, Café und Museum, kulturelle Veranstaltungen, öffentliche Einrichtungen; näheres vgl. Stumberger, aaO. Eingang: 253 Rue André Godin.
Die Ereignisse
Erschießungen am 14. Juni 1944
In der Gegend um Guise war Anfang Juni viel deutsches Militär. Am 3. Juni war im wenige km entfernten Aisonville-Bernoville ein deutscher Soldat erschossen worden; zum anderen waren junge Resistants aus dem Pas-de-Calais (vgl. z.B. Hénin-Beaumont) zum Maquis des Ardennes aufgebrochen und in kleinen Gruppen von den Deutschen aufgespürt worden.
27 Personen wurden am 14. Juni 1944 von SiPO-SD aus Saint-Quentin und SS-Soldaten in Guise und den nahe gelegenen Dörfern Longchamp und Vadencourt erschossen; in Guise elf Personen auf einer Wiese hinter dem Landhaus/“Château“ Godin: morgens der Bürgermeister und ein Einwohner des Nachbardorfs Aisonville-Bernoville; nachmittags wurden vier Männer gezwungen, ein Grab auszuheben und dann erschossen; abends wurden fünf Résistants nach einem Verhör erschossen.
Ein Gedenkstein mit Kreuz trägt den Text: „Hier wurden am 14. Juni 1944 von den Deutschen erschossen“: es folgen die elf Namen; neben einer Wiese an der Rue des Docteurs de Villers (Straße nach Villers-lès-Guise, La Capelle/D 1029 am Ortsausgang von Guise).
Deportierte und erschossene Einwohner/innen
28 Namen stehen auf der Stele „Zum Gedenken an unsere Kameraden, Opfer der Nazi-Barbarei.“ Die meisten von ihnen sind als Résistant oder Geisel in die KZ deportiert und dort ums Leben gebracht worden. Andere wurden erschossen, oft ohne vorherige Verhandlung oder Urteil. Ihre Namen stehen auf der Tafel des Gedenksteins der Nazi-Opfer am Ortsausgang Richtung Laon, Chemin de Ronde/Rue de Vervins/D 960.
Einer von ihnen war der Tierarzt Maurice Bernard, der örtliche „Chef der Resistance während der deutschen Okkupation“ (so die Gedenktafel zu seinen Ehren an seinem ehemaligen Wohnhaus; 456 Rue André Godin). Er wurde nach seiner Verhaftung zur Deportation verurteilt und in das deutsche Internierungs- und Deportationslager Compiègne gebracht; er sollte am 2. Juli 1944 von dort mit dem „Todeszug“ in das KZ Dachau deportiert werden, starb aber unterwegs an Durst und Entkräftung – wie etwa fünfhundert andere Gefangene.
Acht Einwohner/innen wurden erschossen, die meisten ohne vorherige Verhandlung oder Urteil: der Résistant Auguste Sonnet im Juni 1944 im Gefängnis von Saint-Quentin; die 24jährige Suzanne (oder: Lucienne) Chazal und der 19jährige André Carlier wurden in einem 47 km entfernten Waldstück bei Vraignes-en-Vermandois erschossen, nachdem sie offenbar eine Zeit lang von Wehrmachts- oder SS-Einheiten als Geisel mitgeführt worden waren. An Auguste Sonnet erinnert eine Gedenktafel (60 Rue de la Citadelle).
Literatur/Medien
Stumberger, Rudolf: Das Projekt Utopia. Geschichte und Gegenwart des Genossenschafts- und Wohnmodells „Familistère Godin“, Hamburg 2004
http://www.adif-aisne.fr/spip.php?article29
http://maitron-fusilles-40-44.univ-paris1.fr/spip.php?article182518
http://maitron-fusilles-40-44.univ-paris1.fr/spip.php?article193469
http://www.lavoixdunord.fr/region/henin-beaumont-le-souvenir-retrouve-de-louis-dubois-ia34b0n2206754
https://fr.wikipedia.org/wiki/Guise
https://fr.wikipedia.org/wiki/Familist%C3%A8re_de_Guise; https://de.wikipedia.org/wiki/Familist%C3%A8re