Karl Jäger (HHStAW)Karl Jäger, am 20.09.1888 in Schaffhausen/Schweiz geboren, wuchs in Waldkirch/Breisgau als Sohn eines Musikschullehrers auf. Er erlernte das Orgelbauerhandwerk und wurde Mitinhaber und Prokurist der Orchestrion-Fabrik in Waldkirch. Nach deren Konkurs 1931 wurde Jäger arbeitslos.

Karl Jäger, Frontsoldat im Ersten Weltkrieg, schloss sich in der Nachkriegszeit der „Schwarzen Reichswehr“, einer paramilitärischen, rechtsradikalen, antisemitischen Organisation an. 1923 gründete Jäger eine NSDAP-Ortsgruppe in Waldkirch, Anfang der 30er Jahre eine SS-Gruppe. 1936 wurde er hauptamtlich als SS-Sturmführer eingestellt, war zunächst in Ludwigsburg und ab 1938 im späteren Reichssicherheitshauptamt in Berlin eingesetzt und stieg bis 1940 zum Standartenführer auf. In Speziallehrgängen (u.a. an der SD-Schule Bernau bei Berlin) wurde er mit anderen SS-Angehörigen ideologisch auf den späteren „weltanschaulichen Kampf“ vorbereitet.

Im Sommer 1941, kurz vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, erhielt Jäger den Befehl, in der sächsischen Grenzpolizeischule Pretzsch das 120 Mann starke Einsatzkommando 3 (EK 3), eine ab Juli 1941 in Litauen wütende mobile Mordtruppe, zu übernehmen. Bei seiner Vernehmung 1959 bezog sich Jäger auf eine Ansprache Heydrichs in Pretzsch und sagte: „Ich sah diese Äußerungen Heydrichs als bindenden Befehl dafür an, dass bei der Aufnahme meiner Tätigkeit im Osten die Juden zu erschießen seien“ (Wette 2011, S. 200).

Auszug aus Jäger-Bericht (BA)Am 3. Juli 1941 kam Jäger, der gleichzeitig als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (KdS) für den Generalbezirk Litauen fungierte, mit dem EK 3 als Teil der Einsatzgruppe A in Kaunas an. Unter Jägers Befehl begann das EK 3, dem rasch litauische Hilfstruppen zugeordnet wurden, landesweit die systematische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung und der zum Tötungsprogramm zählenden Kommunisten (Rollkommando Hamann). Der von Jäger an die SS-Zentrale in Berlin verfasste Bericht – der einzige dieser Art, der erhalten geblieben ist – listet für die Zeit von Juli bis Dezember 1941 jeden Einsatz und jeden Ort bürokratisch genau auf, wie viele jüdische Männer, Frauen und Kinder, immer wieder auch Kommunisten und sowjetische Kriegsgefangene, exekutiert worden sind: bis 1. Dezember 1941 nach Jägers Aufzeichnungen 137.346 Menschen. Der Bericht enthält die Meldung: „In Litauen gibt es keine Juden mehr“, abgesehen von ca. 34.500 sog. Arbeitsjuden, die er, Jäger, ebenfalls habe „umlegen“ wollen, was jedoch an der Besatzungsverwaltung und der Wehrmacht mit deren Forderungen nach „Arbeitsjuden“ gescheitert sei (Jäger-Bericht, zit. Blatt 7).

Karl Jäger, der „Henker des litauischen Judentums“ (Arno Lustiger) wurde am 1. August 1943 von seinen Funktionen in Litauen abgelöst und schließlich im Juni 1944 zum Polizeipräsidenten der Stadt Reichenberg (Sudetenland) ernannt. Nach Kriegsende kehrte Jäger für ein paar Monate in seine Heimatstadt Waldkirch zurück und lebte anschließend vierzehn Jahre als Landarbeiter unter seinem richtigen Namen in die Nähe von Heidelberg. Er wurde, obwohl seit 1948 auf amerikanischen Fahndungslisten ausgeschrieben, erst im April 1959 verhaftet. In seinen Vernehmungen übernahm er keine Verantwortung für seine Taten, leugnete seine persönliche Mittäterschaft und erklärte, er fühle sich wegen der in Litauen durchgeführten Erschießungen von Juden „nicht schuldig“ (Wette 2011, S. 165). In der Untersuchungshaft beging Jäger am 22. Juni 1959 Selbstmord.


Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 290-296; Wette, Wolfram: Karl Jäger. Mörder der litauischen Juden, Frankfurt/M. 2011 (Der Jäger-Bericht im Anhang S. 237-245; Vernehmungsprotokolle 15.6.1959ff., Zentrale Stelle, Verfahren 5 AR-Z 14 / 1958 zit. S. 165 u. S. 200); Ders.: SS-Standartenführer Karl Jäger, Kommandeur der Sicherheitspolizei (KdS) in Kaunas, in: Bartusevičius u.a. (Hg.): Holocaust in Litauen, Köln 2003, S. 77-90.

http://www.dw.com/de/die-todesliste-des-karl-jäger/a-16250761
http://www.stuttgarter-zeitung.de
http://www.spiegel.de/einestages/nazi-taeter-a-946735.html
Jäger-Bericht: https://phdn.org/archives/www.david-irving.de/jaeger.html
http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_sln_411125.html (Auszug Jäger-Bericht, Bundesarchiv Bild BA183-B0716-0005-002)

Filmprojekt: Karl Jäger und wir – Die langen Schatten des Holocaust in Litauen. Ein Mehrgenerationen-Filmprojekt von Black Dog e.V., DVD www.black-dog-ev.de
http://filmpremiere-in-waldkirch-projekt-karl-jaeger-und-wir 

Foto: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 461, Sign. 32438, Bd. 219 (in Wette 2011)