(ital. „Armadio della vergogna“) In der italienischen Publizistik wird mit diesem Begriff ein in der Mitte der 1990er Jahre entdeckter Schrank bezeichnet, in dem seit Beginn der 1960er Jahre nahezu 700 Ermittlungsakten mit dem Stempel „einstweilen archiviert“ gelagert und danach in Vergessenheit geraten waren. Sie kamen im Zuge der Ermittlungen gegen den ehemaligen SS-Offizier Erich Priebke wegen der Geiselerschießungen in den Ardeatinischen Höhlen (Rom 1943) wieder ans Tageslicht. Diese Ermittlungsakten betrafen bis dahin ungesühnte, vor allem von deutschen Soldaten und SS-Angehörigen in Italien verübte Kriegs- und Besatzungsverbrechen. Die Ermittlungen gegen Deutsche waren in der Periode des Kalten Krieges und des Nato-Beitritts der Bundesrepublik Deutschland aus Rücksicht auf vermutete deutsche Empfindlichkeiten ohne rechtliche Grundlage eingestellt worden, obwohl es sich jeweils um schwere Kriegsverbrechen (wie das Wehrmachtsmassaker auf der Insel Kephalonia im September 1943) oder Gestapo-Untaten (wie die Massenerschießung auf dem Loretto-Platz in Mailand im August 1944) handelte. Die „Wiederentdeckung“ der Ermittlungsakten führte seit Ende der 1990er Jahre zu einer Reihe von Strafprozessen vor italienischen Militärgerichten, die zur Verurteilung noch lebender ehemaliger Wehrmachts- und SS-Angehöriger geführt haben, zum Teil aber bis heute noch nicht abgeschlossen sind. Die meisten Fälle waren jedoch beim Fund der Akten bereits verjährt. Viele der weitgehend recherchierten Kriegsverbrechen blieben deshalb ungesühnt und die mutmaßlichen Täter, deren Namen in den Akten enthalten sind, blieben unbehelligt, obwohl alliierte Untersuchungskommissionen schon nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Vereinten Nationen Ermittlungsberichte vorgelegt hatten.
Literatur:
Kohl, Christiane: Der Himmel war strahlend blau. Vom Wüten der Wehrmacht in Italien. Wien 2004, S. 129ff.; Staron, Joachim: Fosse Ardeatine und Marzabotto: Deutsche Kriegsverbrechen und Resistenza. Geschichte und nationale Mythenbildung in Deutschland und Italien (1944–1999). Paderborn 2002; Filippo Focardi: Das Kalkül des »Bumerangs«. Politik und Rechtsfragen im Umgang mit deutschen Kriegsverbrechen in Italien. In: Norbert Frei: Transnationale Vergangenheitspolitik. Der Umgang mit deutschen Kriegsverbrechern in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Wallstein, Göttingen 2006, S. 536–566; Frankfurter Rundschau, 16.10.2002; de.wikipedia.org/wiki/Schrank_der_Schande; www.wikiwand.com/de/Schrank_der_Schande;
magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/19022469