Deckname für die Massenerschießung aller Juden in den verbliebenen Lagern im Distrikt Lublin, persönlich geplant und befohlen von Reichsführer-SS Heinrich Himmler. Als Grund für die Aktion gab er Sicherheitsgründe an. Offenbar waren die Aufstände im Warschauer Ghetto (April/Mai 1943), Bialystok Ghetto (August 1943) sowie in den Vernichtungslagern Treblinka (August 1943) und Sobibor (Oktober 1943), die Sorge vor weiteren Unruhen, aber auch ökonomische und ideologisch-rassistische Gründe entscheidend. Der geplante Massenmord an 42.000 jüdischen Menschen am 3. und 4. November 1943 lief unter dem zynischen Stichwort 'Aktion Erntefest.'
Himmler und Globocnik kalkulierten jüdischen Widerstand bei der Liquidierung der Lager ein. Daher wurde die Aktion Erntefest geheim geplant und schließlich in allen Lagern gleichzeitig durchgeführt. 2000 bis 3000 SS-Männer und Polizisten (z.B. des Reserve-Polizeibataillons 101) wurden nach Lublin abkommandiert. Eine letzte Besprechung zur Durchführung der Aktion wurde am Vorabend in Lublin abgehalten. Christian Wirth, Inspekteur der Aktion Reinhardt, war aus Triest zurückgeholt worden, um die Aktion zu beaufsichtigen. Sie war mit Friedrich-Wilhelm Krüger, dem obersten SS- und Polizeiführer im Generalgouvernement, abgestimmt.
Am 3. November 1943 in der Frühe umstellten SS- und Polizeieinheiten das Lager, nach dem Morgenappell wurden die Frauen zurück in ihre Baracken beordert, die Männer mussten sich in einer Baracke entkleiden und in Gruppen von 100 nackt zu den – einige Tage vorher ausgehobenen - länglichen Zick-Zack-Gruben in der Nähe des Krematoriums laufen (sie sind noch heute zu erkennen, s. Foto). Dort wurden sie von den SS-Männern und Polizisten erschossen. Die nächsten 100 Gefangenen mussten zu den Gruben laufen, sich auf die Toten legen und wurden erschossen. Nach und nach kamen die Gefangenen aus den Lubliner Arbeitslagern dazu. Während der Massenerschießung wurden über zwei Lautsprecher Märsche und Walzer von Johann Strauß u.a. abgespielt, sie sollten die Schüsse übertönen.
Die SS ließ etwa 400 Juden als „Sonderkommando“ am Leben. Die Frauen mussten die Habe der Erschossenen sortieren. Die Männer wurden gezwungen, den Toten die Goldzähne zu ziehen und anschließend die Toten auf Roste zu legen und zu verbrennen. „In Lublin selbst stank es tagelang fürchterlich. Es war der typische Gestank verbrannter Leichen“, sagte ein Polizist (zitiert bei Browning, S. 188).
Am selben Tag wurden im Lager Trawniki und in mehreren kleineren Lagern etwa 10.000 Gefangene erschossen, darunter etwa 8.000 Frauen und Kinder aus dem Warschauer Ghetto. Einen Tag später wurden im Lager Poniatowa 14.000 jüdische Gefangene erschossen. Die Männer der Sonderkommandos wurden ebenfalls erschossen, nur vier konnten entkommen, einer hat in Lublin die Befreiung erlebt. Insgesamt wurden bei der Aktion etwa 42.000 Gefangene ermordet.
Literatur/Medien
Browning, Christopher: Ganz normale Männer: Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen. Reinbek 1993, bes. S. 184ff.
Grabitz, Helge/Scheffler, Wolfgang: Letzte Spuren. Ghetto Warschau, SS-Arbeitslager Trawniki, Aktion Erntefest. Berlin 1988
Benz u.a.: Enzyklopädie NS, S. 394
Gutman u.a., Holocaust-Enzyklopädie, S. 418.f
Klemp, Stefan: „Aktion Erntefest“: Mit Musik in den Tod. Rekonstruktion eines Massenmords, Münster 2013
http://www.deathcamps.org/occupation/erntefest_de.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Aktion_Erntefest