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Civitella Val di Chiana

Region Toskana / Provinz Arezzo

Der Ort
Das kleine Städtchen (ca. 400 Einwohner/innen) liegt auf 523 Meter Höhe über dem Chianatal, ca. 20 km südwestlich der Provinzhauptstadt Arezzo und etwa 50 km von Siena entfernt. Von Osten zu erreichen von der Autobahnabfahrt Arezzo über Mugliano, danach Überquerung der Autobahn und weiter auf der SS 293 in Richtung Civitella und Capannola; von Westen her (aus Richtung Siena) über die Autobahn Richtung Sinalunga, Abfahrt Castelnuovo Beradenga, weiter auf der SS 540 bis Capanolla , dort Abfahrt bis Civitella.

Die Ereignisse
Angehörige einer Einheit der Fallschirmjäger-Panzerdivision „Hermann Göring“ ermordeten am 29. Juni 1944 weit über 200 Bewohner Civitellas und der umliegenden Weiler und Gehöfte. Dem Blutbad vorausgegangen war am 18. Juni 1944 ein Gefecht zwischen Partisanen und Deutschen in der Nähe der Stadt und der Versuch einer Partisanengruppe, deutsche Soldaten innerhalb Civitellas zu entwaffnen, in dessen Verlauf zwei Deutsche getötet wurden. Die Bewohner Civitellas befürchteten danach Repressalien, flohen deshalb zunächst in die Umgebung, kehrten aber wenige Tage unbehelligt wieder zurück und hielten die Gefahr einer Vergeltung für überstanden. Am Morgen des 29. Juni umzingelten unerwartet Truppenteile der Division „Hermann Göring“ von Norden und von Süden her Civitella, stürmten die Stadt und die Siedlungen der Umgebung, steckten Häuser in Brand und ermordeten wahllos Männer, Frauen und Kinder, wo immer sie die Opfer auf den Straßen, auf der Piazza, in den Häusern und vor den Toren antrafen. Aus der Kirche holten sie die dort Versammelten heraus, unter ihnen der Pfarrer, töteten die Männer mit Genickschüssen an der Mauer der Piazza neben der Kirche, Frauen und Kinder wurden auf den Straßen und vor der Stadt niedergemacht. Gleichen Gewalttaten fielen die Bewohner der Weiler in der Umgebung zum Opfer.

Gedenken
An der Stirnseite der zentralen Piazza erinnert eine Gedenktafel an die über 200 Opfer des Massakers vom 29. Juni 1944 in Civitella selbst und den Nachbardörfern San Pancrazio und Cornia.

Kirche von Civitella mit Gedenkmauer Bronzerelief an der Gedenkmauer Gemälde in der Kirche

An der zentralen Via Martiri di Civitella, wenige Häuser unterhalb der Piazza, befindet sich heute die Sala della Memoria, ein kleines Museum, in dem zahlreiche Fotos und Dokumente ausgestellt und weitere Informationen zu finden sind. In der Kirche liegt eine Broschüre mit ausführlichen Schilderungen der Ereignisse am 29. Juni 1944 aus.

Sala della Memoria Vitrinen in der Sala della Memoria Informationen in der Sala della Memoria

Nach 1945
Obwohl das Massaker von einer von der UNO eingesetzten Untersuchungskommission unmittelbar nach 1945 dokumentiert worden ist, kam es erst Ende 2007 zu einer Verurteilung eines damals beteiligten deutschen Wehrmachtsangehörigen durch ein italienisches Militärgericht. Das Gericht verurteilte den Angeklagten in Abwesenheit zu lebenslanger Haft und gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung von 1 Million Euro Entschädigung an die Opfer. Der oberste Gerichtshof Italiens bestätigte im Oktober 2008 die Verurteilung Deutschlands zur Zahlung, da seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen der Grundsatz völkerrechtlich anerkannt sei, bei „Verbrechen gegen die Menschheit“ stünden den Opfern auch gegen Staaten individuelle Entschädigungsansprüche zu. Gegen die Vollstreckung dieses Urteils klagte die deutsche Bundesregierung 2008 vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag mit der Begründung, nach einem anderen, seit langem anerkannten Grundsatz des Völkerrechts seien nur Staaten – nicht individuelle Kläger – zu einem Prozess gegen einen anderen Staat berechtigt (Grundsatz der sog. „Staatenimmunität“). Der IGH entschied am 3. Februar 2012 zu Gunsten der deutschen Regierung. 
Das italienische Verfassungsgericht hat in einer grundsätzlichen Entscheidung vom 22. Oktober 2014 der IGH-Rechtsprechung, die vom italienischen Parlament 2013 in ein aktuelles Gesetz umgesetzt worden war, die Zustimmung verweigert: es sei mit der italienischen Verfassung unvereinbar; denn diese garantiere die Menschenwürde und das Recht auf Zugang zu Gerichten in Fällen schwerster Menschenrechtsverletzung. Die vor italienischen Gerichten eingeleiteten Gerichts- und Vollstreckungsverfahren sind somit nach wie vor nicht entschieden. Zentraler Streitpunkt wird die Antwort auf die Frage bleiben, ob der völkerrechtliche, Jahrzehnte vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Grundsatz der Staatenimmunität weiterhin ausnahmslos gelten soll oder ob er nicht in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs zurücktreten und ein individueller Schadensersatzanspruch gegen einen Staat anerkannt werden muss.

Literatur / Medien:
Gerhard Schreiber, Deutsche Kriegsverbrechen in Italien. München 1996, S. 173 f.; Christian Kohl, Der Himmerl war blau. Wien 2004, S. 47 ff.; Friedrich Andrae, Auch gegen Frauen und Kinder.  München 2005, S. 187 ff.; Geyer, Michael, „Es muss daher mit schnellen und drakonischen Maßnahmen durchgegriffen werden“. Civitella in Val die Chiana am 29. Juni 1944. In: Hannes Heer und Klaus Naumann, Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944. Frankfurt, 10. Auflage 1997; Balò, Ida,The Massacer of Civitella in Val di Chiana. Civitella o. J.; Urteil des Italienischen Verfassungsgerichts vom 22. Oktober 2014 (Auszüge) in: Kritische Justiz 2015 (Heft 2, S. 202 ff); de.wikipedia.org/wiki/Civitella_in_Val_di_Chiana; anpimirano.it/2012/29-giugno-1944-la-strage-di-civitella-in-val-di-chiana/; www.lanazione.it/arezzo/cronaca/2012/03/08/678320-stragi_civitella_falzano.shtml; http://campidisterminio.altervista.org/site/eccidio-di-civitella.php