Region Piemont / Provinz Verbano-Cusio-Ossola
Das Tal
Das Ossola-Tal mit dem Hauptort Domodossola ragt wie ein Dreieck in die Schweiz hinein und wird im Westen durch den Kanton Wallis und im Osten durch den Kanton Tessin begrenzt. Ein wichtiger Verkehrsweg in die Schweiz besteht über die Simplonroute durch das Val Dividro; nach Osten besteht mit der in der Schweiz „Centovallibahn“, in Italien „Ferrovia Vigezzina“ genannten Bahn neben der Straßen- auch eine Eisenbahnverbindung nach Locarno.
Die Ereignisse
Die in zahlreichen Verbänden – Divisionen und Brigaden – im Verlauf des Jahres 1944 immer wirksamer operierenden Partisanen stellten eine Gefahr für die strategisch wichtige Simplon-Linie, die heute kaum mehr existierende Industrie und die Wasserkraftwerke des Ossola-Tales dar. Das Tal selbst und vor allem das Gebirgsgebiet des heutigen Nationalparks Val Grande zwischen Lago Maggiore bei Verbania im Osten und und Domodossola im Westen waren im Sommer und Herbst 1944 deshalb Schauplatz vieler Kämpfe zwischen Partisanenverbänden und Wehrmachts- und SS-Einheiten. Eine schwere Niederlage der Partisanen war mit der Durchkämmungsaktion verbunden, in deren Verlauf im Juni 1944 nicht nur ungefähr 300 Partisanen getötet wurden, sondern auch die Infrastruktur der der Täler schwere, dauerhaft wirkende Schäden erlitt. Den schrecklichen Höhepunkt dieser „Bandenbekämpfung“ bildete die Hinrichtung von mehr als 40 Widerstandskämpfern am 20. Juni 1944 in Fondotoce (Verbania-Fondotoce).
Partisanenrepublik Ossola
Trotz Niederlage und schwerer Verluste erstarkten die politisch sehr unterschiedlichen Partisanenverbände – Kommunisten und Sozialisten, Anarchisten, ehemalige Militärs und Monarchisten – rasch, brachten den Bahnverkehr Richtung Simplon durch Sabotageakte fast zum Erliegen und vertrieben schließlich die deutschen und faschistischen Truppen am 9. September 1944 für die Dauer von 40 Tagen aus dem Ossola-Tal. Es wurden die Tage der freien Partisanenrepublik Ossola, in deren Verlauf ein funktionierendes Modell einer antifaschistischen, pluralistischen Demokratie aufgebaut wurde. Das Ossola-Tal wurde im Oktober schließlich von überlegenen deutschen Truppen zurückerobert, die Regierung der Partisanenrepublik und mit ihr fast die Hälfte der Bevölkerung konnten sich in die Schweiz flüchten. Bei den Rückzugskämpfen erlitten die Partisanen erneut schwere Verluste. Das Ossolatal wurde am 25. April 1945 endgültig befreit. Zuvor hatten neu aufgebaute Partisanenverbände in Zusammenarbeit mit der schweizerischen Aufsicht über die Bahnstrecke die von den Deutschen vorbereitete Sprengung des Simplontunnels bei Varzo verhindert.
Einrichtungen
Eine Übersicht über die Chronologie der Ereignisse, die verschiedenen Partisanenformationen und deren Einsatzgebiete im Kampfgebiet zwischen Lago Maggiore und Domodossola bieten Tafeln der Ausstellung, die in der Casa della Resistenza in Verbania-Fondotoce zu sehen ist (s. Sachstichwort Partisanen-Brigaden).
In Domodossola ist in der „Casa40“ ein Informations- und Dokumentationszentrum zur Partisanenrepublik von Ossola und zu den „40 giorni di libertà“, den 40 Tagen der Freiheit, untergebracht: www.repubblicadellossola.it
Darüberhinaus befindet sich In Domodossola im ersten Stock des Rathauses in der aula consiliare del Municipio, in der der Gemeinderat tagt, die „Sala Storica della Resistenza“: Entlang der Wände stehen Glasvitrinen, die mit historischen Fotos und Erklärungstexten entscheidende Ereignisse des Widerstands im Ossolatal dokumentieren.
In Villadossola haben ehemalige Partisanen in Zusammenarbeit mit der ANPI (Associazione Nazionale Partigiani d’Italia, Nationale Vereinigung der italienischen PartisanInnen) die "Sala Storica della Resistenza" eingerichtet. Hier finden sich Unterlagen zu allen in der Region aktiven Partisanen-Divisionen und viele historische Fotos (Adresse: Via XXV Aprile 30 - 28844 Villadossola, tel. 0324 51684, www.amossola.it/musei_ossola/it/museo/sala-storica-della-resistenza-villadossola).
In Ornavasso befindet sich an der Strada Sempione 129 das Museo della Resistenza „Alfredo di Dio“, eine der im Ossola-Tal operierenden Partisanendivisionen (Adresse: Via Alfredo di Dio 129/131 – 28877 Ornavasso; tel. 0323 837242; www.amossola.it/musei_ossola/it/museo/museo-della-resistenza-di-dio).
Gedenken:
In fast jedem Ort des Val d'Ossola wird an Opfer von deutscher Besatzungsherrschaft und Mussolinis faschistischem RSI-Regime erinnert; viele Straßen, Plätze und Schulen sind nach Protagonisten des regionalen Widerstands benannt.
Gedenkorte im Ossola-Tal:
Literatur / Medien:
Bergwitz, Hubertus: Die Partisanenrepublik Ossola. Vom 10. September bis zum 23. Oktober 1944, Hannover 1972; Thelesklaf, Bernhard Herold: Nationalpark Val Grande. Unterwegs in der Wildnis zwischen Domodossola und Lago Maggiore. Ein Wanderführer im Rotpunktverlag. Zürich, Auflage 2008, S. 172 ff.; Kuby, Erich, Verrat auf deutsch. Wie Deutschland Italien ruinierte. Hamburg 1982, S. 489 f.; Vermicelli, Gino: Die unsichtbaren Dörfer. Partisanen im Ossola-Tal. Roman. Vorwort Rossana Rossanda. Nachwort „Swiss“ Schweizer. Zürich 1990. Nachwort, S. 315 ff.; de.wikipedia.org/wiki/Partisanenrepublik_Ossola; www.swissinfo.ch/ger/archiv/Ein_Dank_den_Schweizer_Freunden.html?cid=4124436; resistenza.eu/partisanenrepublik-ossola