Der Österreicher Franz Murer ist am 24. Januar in St. Georgen/Murnau geboren und am 5. Januar 1994 in Gaishorn am See (Steiermark) gestorben. Seit 1938 NSDAP-Mitglied und in einem NS-Schulungszentrum (Ordensburg Krössinsee) ausgebildet, war er 1941 bis 1943 Stellvertreter des Stadtkommissars Hingst und Leiter des sog. Judenreferats in Vilnius. Wegen seiner sadistischen und brutalen Vorgehensweise von den im Ghetto gefangenen Juden als „Schlächter von Vilnius“ bekannt und gefürchtet, war er für den Tod zehntausender Juden verantwortlich. 1948 wurde er in Vilnius, damals Hauptstadt der Sowjetrepublik Litauen, wegen Beteiligung an der Ermordung von Juden zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags zwischen den Kriegsalliierten und Österreich im Jahr 1955 wurde Murer den österreichischen Behörden als Kriegsverbrecher übergeben, mit der Auflage, dort vor Gericht gestellt zu werden. Das wurde nicht getan. Erst im Mai 1960 stieß Simon Wiesenthal anlässlich der Gefangennahme Eichmanns wieder auf Murer, der unbehelligt in der Steiermark lebte. 1962, nach jahrelanger Tätigkeit als Funktionär der Österreichischen Volkspartei ÖVP und Obmann der Landwirtschaftskammer Liezen, wurde gegen Murer Anklage wegen seiner Mordtaten in Vilnius erhoben. 1963 wurde Murer nach einem skandalösen Strafprozess, in dem Überlebende und Augenzeugen gedemütigt und verlacht wurden, von einem Grazer Gericht freigesprochen. In Folge des Urteils kam es zu Protesten im In- und Ausland. Der Gerichtshof gab der Nichtigkeitsbeschwerde des Staatsanwaltes schließlich statt, zu einer neuen Verhandlung kam es aber nicht. Der Fall Murer wurde 1974 endgültig zu den Akten gelegt.
Literatur / Medien
Rabinovici, Doron: „Jidn, sogt, wer schtejt bajm tojer“. Der Fall Franz Murer – ein österreichischer Schauprozess gegen die Opfer, in: Freund, Florian / Ruttner, Franz / Safrian, Hans (Hg.): Ess firt kejn weg zurik … Geschichte und Lieder des Ghettos von Wilna 1941–1943, Wien 1992, S. 97–122; Rolnikaite, Mascha: Ich muss erzählen: Mein Tagebuch 1941–1945, Hamburg 2002, S. 85, S. 130; Sutzkever, Abraham: Wilner Ghetto 1941–1944, Zürich 2009, S. 82f.
https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Murer
http://www.nachkriegsjustiz.at
http://www.darmstaedter-geschichtswerkstatt.de
http://www.juden-in-europa.de/baltikum/vilna/ponar.htm
http://korso.at/content/view/3514/186/index.html
http://www.gfh/Protest (Foto Protest)
Eine Mappe mit über fünfzig eidesstattlichen Zeugenaussagen gegen Franz Murer, dem Herrn über Leben und Tod, findet sich auf der Yad Vashem Homepage, Digital Collections, The Photo Archive. In die Suchmaske eingeben Profile: Photos Archive, Global search 3686435, Databanks: Documents Archive
Foto: Ghetto Fighters House, Photo Archive, Catalog No. 25090