Die Stadt
Mestre wurde 1926 ein Teil Venedigs, blieb aber auf Grund der Größe und der räumlichen Entfernung mit seinen rund 200.000 Einwohner/innen eine „eigene Stadt“. Im Vergleich zum historischen Zentrum von Venedig mit seinen ca. 60.000 Einwohner/innen, lebt heute die Mehrheit der venezianischen Bewohner in den Stadtteilen Mestre und Marghera. Die meisten von ihnen sind in der Chemie- und Ölindustrie, im Schiffsbau und im Hafen beschäftigt. Der Bahnhof Venezia-Mestre ist der wichtigste Verkehrsknotenpunkt vor Venedig, eine Bahn- sowie eine Autobahnbrücke verbinden Mestre mit Venedig.
Das Ereignis
Unmittelbar nach der deutschen Besetzung Italiens am 8. September 1943 wurde Mestre als wichtiger Industriestandort militärisch besetzt. Als Reaktion gründeten Mitglieder der antifaschistischen Opposition die CLN, die ein Netzwerk von Kontakten zu den sich organisierenden Widerstandsgruppen des Umlands küpfte. Zivilen Widerstand leisteten die Arbeiter und Techniker des Industriegebiets Mestre und Maghera vor allem durch Streiks, Produktsabotage, Verbreitung von Geheimpropaganda und Spendenaktionen zur Finanzierung von Partisanenaktionen, die sich in erster Linie gegen das Eisenbahnnetz richteten. Ab Jahresbeginn 1944 wurden diese Aktionen im wegen massiver Kontrolle der Wehrmacht immer weniger möglich. Die im Herbst im Hinterland von Mestre formierten Partisanen-Brigaden, wie die von Giovanni Battois kommandierten "Battisti" -Brigade, verlagerten deshalb ihren Widerstand in Richtung der Cansiglio-Berge und des Cellina-Tals in den Friaulischen Dolomiten, wo es ihnen gelang, einige Gebiete zu befreien und für kurze Zeit die Partisanenrepublik Cansiglio auszurufen. Der Druck der deutschen Truppen und groß angelegte Durchkämmungsaktionen Ende 1944 zwangen die Partisanen, das Gebirge wieder zu verlassen. Erminio Ferretto, Partisan und Veteran aus dem spanischen Bürgerkrieg, entkam diesen Aktionen und gründete zusammen mit seinen Gefolgsleuten der Brigade Garibaldi in Mestre das Bataillon „Felisati“ (der Name eines ermordeten Partisanen), das Anschläge auf Kasernen der faschistischen Truppen verübte.
In der Nacht vom 5. auf 6. Februar 1945 wurde Erminio Ferretto von Faschisten ermordet, die Brigade nannte sich nun „Ferretto“ und kämpfte gemeinsam mit der Brigade "Battisti" gegen die aus dem Süden zurückziehenden deutschen Streitkräfte bis zum Eintreffen der alliierten Truppen in Mestre und Marghera am 29. April 1945.
Gedenken
Sowohl auf dem Bahnhof in Mestre als auch im Hauptbahnhof von Venedig erinnern Gedenktafeln an diesen Widerstand.
Eine Gedenktafel am Rathaus von Mestre in der Via Palazzo erinnert an die Opfer des Befreiungskampfes. Auf dem Friedhof von Mestre wird an 22 gefallene Mitglieder der Partisaneneinheiten „Ferreto“ und „Battisti“ erinnert, unter ihnen Erminio Ferreto und Giovanni Felisati. Auch Straßen und Plätze in der Stadt sind nach einigen von ihnen benannt.
Bosco Ottolenghi
Ein ca. 30 ha großer Wald am nordöstlichen Rand von Mestre ist der Erinnerung an den Rabbiner der jüdischen Gemeinde von Venedig gewidmet. Er wurde mit den Bewohnern des Ghettos nach Auschwitz deportiert und ermordet. Im Innern des Waldes erinnert eine aus zwei Eichenholzbrettern bestehende Gedenkstätte an Adolfo Ottolenghi.
Weitere Informationen u.a. zu Stadtführungen: Istituto Veneziano per la storia della resistenza e della società contemporanea (IVESR), Venedig, E-Mail: [email protected]; [email protected]; www.iveser.it
https://www.iveser.it/2011/08/16/11-settembre-2011-luoghi-della-resistenza-a-mestre-itinerario-guidato/
Literatur / Medien:
Borghi, Marco (Hg): I luoghi della libertà. Itinerari della guerra e della Resistenza in provinica di Venezia, Portogruaro 2009, S. 81-98 (Foto: © Archive Iveser Venice - Anpi Mestre, S. 81); "Banditi e ribelli. Die Italienische Resistenza 1943-1945", Ausstellung Istoreco & CultureLabs, Köln 2019, S. 33; www.luminosigiorni.it/wp/2011/12/partigiani-e-toponomastica-luoghi-della-resistenza-a-mestre/
resistenza.de/widerstand-in-venedig; it.wikipedia.org/wiki/Resistenza_a_Mestre; www.comune.venezia.it/it/content/adolfo-ottolenghi (Foto)