Oskar Glick, jüdischer Flüchtling aus Wien, lebte in Vilnius, als die deutsche Wehrmacht die Stadt besetzte. In einem Soldaten erkannte Glick einen Jugendfreund aus Wien, der ihm einen leitenden Posten in der Pelzfabrik Kailis vermittelte. Glick hatte Papiere, die ihn als „Volksdeutschen“ auswiesen. Unter Glick fand der Umzug der ‚Reichspelzfabrik Kailis‘ aus der Wilnaer Innenstadt in die nun leer stehende Fabrikhalle der Elektrit Radiowerke in der Ševčenkos-Straße 16 statt. Deren Inventar war nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen nach Minsk verschifft worden. Glick war es auch, der einen Antrag auf Unterbringung der ca. 400 jüdischen Zwangsarbeiter und deren Familien in zwei Wohnblocks gegenüber der Fabrik stellte, dem stattgegeben wurde. Im Oktober 1941 zogen ca. 1.000 Personen aus dem Ghetto in die zwei Wohnblöcke, wo dank Glick bessere Lebensbedingungen als im Ghetto herrschten und wo ein Überleben auch nach der Ghetto-Liquidierung vorerst möglich war.
Oskar Glick, dem es uneigennützig um Schutz und mögliche Rettung der bedrohten Juden ging, wurde im Januar 1942 nach einem Brand der Fabrik als Jude „enttarnt“. Ihm und weiteren Mitarbeitern wurden Diebstahl und vermutete Sabotage unterstellt. Bei den Ermittlungen „ … wurde festgestellt, dass von sämtlichen in der Fabrik Beschäftigten laufend Diebstähle an Wehrmachtsgut verübt worden war. Insgesamt wurden 16 Personen festgenommen, davon 13 erschossen und die übrigen mit hohen Gefängnisstrafen belegt. … Weiter wurde ermittelt, dass der Wirtschaftsleiter der Fabrik, der sich als Volksdeutscher ausgegeben hatte, Volljude war und in die aufgedeckten Diebstähle verwickelt ist“ (Tauber 2015).
Im Februar 1942 wurden Oskar Glik und seine Frau Mina Dolgitzer erschossen. Herman Kruk berichtet in seiner Chronik: „I just received word that this week, in Ponar, 200 Poles and a few Jews were shot, including the Jew Glik (the famous director of Kailis) and others. Thus, our Glik of Kailis is also done in“ (Kruk 2002).
Literatur / Medien
Arad, Yitzhak: Ghetto in Flames, New York 1982; Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 1285; Guzenberg, Irina: Vilnius. Sites of Jewish Memory. A Concise Guide, Vilnius 2013, S. 56; Kruk, Herman: The Last Days of the Jerusalem of Lithuania. Chronicles from the Vilna Ghetto and the Camps, 1939–1944, hrsg. von Benjamin Harshav, New Haven u. London 2002 (Zitat S. 236); [Schur, Grigorij] Die Juden von Wilna. Die Aufzeichnungen des Grigorij Schur 1941–1944, hrsg. von Wladimir Porudominski, München 1999, S. 82ff; Tauber, Joachim: Arbeit als Hoffnung. Jüdische Ghettos in Litauen 1941–1944, Berlin 2015 (FN 1239)
https://de.wikipedia.org/wiki/Pelzfabrik_Kailis
Jewish Resistance in the Holocaust / Kailis Fur Factory