Das Sowjetregime sah sich nach dem überraschenden Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 vor die Entscheidung gestellt, wie mit den politischen Gefangenen, die z.B. in litauischen Haftanstalten festgehalten wurden, verfahren werden solle. „Sowjetische Polizei, Partei und vor allem Truppenteile der Roten Armee ermordeten über 400 Gefängnisinsassen und etwa 700 Zivilisten“ (Dieckmann 2011). Zwar sollten nach einem sowjetischen Evakuierungsbefehl die Gefängnishäftlinge bei dem sowjetischen Rückzug mitgeführt werden, doch wegen des raschen deutschen Vormarschs befahl der sowjetische Geheimdienst, die „Gefährlichsten“ zu erschießen. Ein Teil der Gefangenen kam frei, ein Teil konnte fliehen, über 1.300 wurden mitgenommen. An zahlreichen Orten kam es zu barbarischen Folterungen und Erschießungen durch sowjetische Täter. Ein besonders grausamer Massenmord geschah in Rainiai bei Telšiai, wo 76 politische Gefangene ermordet wurden. Die höchste Zahl der Mordtaten war in Pravieniškės bei Kaunas zu verzeichnen, „wo etwa 230 Gefängnisinsassen und 31 Angestellte mit ihren Familien ermordet wurden“ (Dieckmann 2011). Die unbestreitbaren sowjetischen „Rückzugsverbrechen“ wurden von der Propaganda der deutschen Besatzer und von litauisch-nationalistischer Seite im Sinne der Propaganda vom „Kampf gegen den jüdischen Bolschewismus“ instrumentalisiert, wie das Beispiel des Verbrechens bei Telšiai zeigt, das wahrheitswidrig den Juden der Stadt in die Schuhe geschoben wurde.
Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 301ff. (Zitate S. 301, 302); Bd. 2, S. 850 (mit zahlreichen Nachweisen).
https://www.alles-ueber-litauen.de/ziele-in-litauen/telsiai.html