Region Friaul-Julisch Venetien / Provinz Udine
Die Stadt
Udine, die Hauptstadt der gleichnamigen friaulischen Provinz und nach Triest mit nahezu 100.000 Einwohner/innen die zweitgrößte Stadt der Region, ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen Österreich und Südosteuropa. Im Ersten Weltkrieg war Udine Sitz des italienischen Oberkommandos. Vom September 1943 bis April 1945 gehörte die Stadt zur besetzten Operationszone Adriatisches Küstenland.
Erreichbar ist Udine von Kärnten über die A 23 und von Venedig über die A4.
Die Ereignisse
Im September 1943 übernahm SS-Hauptsturmführer Franz Stangl das Kommando über die Außenstelle „Reinhard“ (R3) in Udine. Stangl, 1942/1943 Kommandant in den Vernichtungslagern Sobibor und Treblinka, gehörte zu den erfahrenen Mordspezialisten im Gefolge von Odilo Globocnik, dem SS-Chef in der Operationszone Adriatisches Küstenland, der im besetzten Polen für die „Endlösung der Judenfrage“ verantwortlich war. („Aktion Reinhard“) Da bereits seit Dezember 1943 Partisanenangriffe und Sabotageaktionen vor allen auf die für die Deutschen wichtige Eisenbahn- und Kabellinie Villach-Tarvis-Udine-Triest zunahmen, stand für die deutsche Besatzung die Bekämpfung der Partisanen im Vordergrund, die zunehmend große Gebiete der Operationszone kontrollieren konnten. Am 17. Februar 1944 schrieb der Chef der berüchtigten Aufsichtsbehörde der öffentlichen Sicherheit (Ispettorato Speciale di Pubblica Sicurezza) in Triest an den dortigen Polizeichef: "Wir sollten uns nunmehr klar vor Augen halten, dass wir die Kontrolle über das gesamte Gebiet verloren haben und nur mit Mühe die Provinzhauptstädte halten ..." (Wedekind, S. 143).
Trotz eines Appells des Udineser Erzbischofs Giuseppe Nogara an den Obersten Kommissar der Operationszone Friedrich Rainer, trafen die Vergeltungsaktionen vor allem die Landbevölkerung. In dem Schreiben des Bischofs vom 8. Oktober 1944 protestierte Nogara „gegen das 'Grauenhafte' und 'Unglaubliche' …, was deutsche Behördenvertreter und Truppen der Bevölkerung antaten. Der Bischof sprach von abgebrannten Ortschaften, von den Folgen der Evakuierung ganzer Dörfer und Städte, von den Misshandlungen der willkürlich verhafteten Frauen und Männer. Er bezog sich auf 'viele Tausende Kinder, Frauen, Alte und Wehrlose', die leiden mussten, nur weil die Besatzungsmacht sie beschuldigte, die Partisanen begünstigt zu haben. … Nogara beschwor Rainer, jenem 'Gemetzel von Unschuldigen, dieser Kette von Schmerzen' ein Ende zu bereiten. Wenn der Oberste Kommissar ein 'Sühneopfer für alle wollte', solle er ihn, den Erzbischof gefangen nehmen, aber seine Gemeindemitglieder in Ruhe lassen.“ (Schreiber, S. 204)
Aber auch die Stadt Udine war von dem Terror der Besatzungsherrschaft, ausgehend vom SS-Oberkommando für das gesamte Friaul, das sich an der Piazza 1 ° Maggio befand, betroffen, Gewaltakte, von denen hier nur einige aufgezeigt werden können:
- Vier Partisanen, die tags zuvor bei einem Sabotageversuch auf Bahnanlagen gefasst worden waren, wurden vom „Sondergericht für die öffentliche Sicherheit" (Tribunale speciale per la sicurezza pubblica, von Friedrich Rainer eingesetztes Gericht) zum Tode verurteilt und am 10. Dezember 1944 am Gerichtsgebäude in der Via Verdi erschossen.
- Nachdem es der GAP („Gruppi d’Azione Patriottica“) Udine am 7. Februar 1945 gelungen war, 73 politische Gefangene, 2 Priester und 3 alliierte Soldaten aus dem Gefängnis in der Via Spalato zu befreien, wurden als Reaktion darauf am 11. Februar 1945 23 Häftlinge an einer Wand des Friedhofs Cimitero di San Vito erschossen.
- Am 14. März 1945 wurden 37 Partisanen vom „Sondergericht für die öffentliche Sicherheit" zum Tode verurteilt. Auf Intervention des Erzbischofs von Udine entgingen acht Männer diesem Schicksal. Die restlichen 29 Verurteilten wurden am 9. April 1945 im Hof des Gefängnisses in der Via Spalato erschossen.
Die Stadt wurde nach der Befreiung 1947 mit der „Medaglia d'oro al valor militare” ausgezeichnet.
Gedenken
Monumento della Resistenza
Auf der Piazzale XXVI Luglio befindet sich das Denkmal für die Resistanza von Gino Valle und Federico Marconi, das nach einem national ausgeschriebenen Wettbewerb und einer langjährigen Bauphase im April 1969 eingeweiht wurde. Die Inschrift stammt von Piero Calamandrei:
„Quando io considero questo misterioso e miracoloso moto di popolo, questo volontario accorrere di gente umile, fino a quel giorno inerme e pacifica, che in una improvvisa illuminazione sentì che era giunto il momento di darsi alla macchia, di prendere il fucile, di ritrovarsi in montagna per combattere contro il terrore, mi vien fatto di pensare a certi inesplicabili ritmi della vita cosmica, ai segreti comandi celesti che regolano i fenomeni collettivi, come le gemme degli alberi che spuntano lo stesso giorno s’accorgono che è giunta l’ora di mettersi in viaggio. Era giunta l’ora di resistere; era giunta l’ora di essere uomini: di morire da uomini per vivere da uomini”.
Piazza Libertà, Loggia del Lionello
Eine Tafel mit dem Text der Medaglia d'oro al valor militare, die der Stadt Udine verliehen wurde, befindet sich in der Loggia del Lionello an der Piazza Libertà.
Parco della Rimembranza
Zu beiden Seiten des westlichen Eingangs zum Parco della Rimembranza erinnern Gedenkstätten an alle zivilen Opfer des Krieges und an die in die deutschen Lager Deportierten.
Viale della Vittoria/Viale Armando Diaz
Gedenken an die Opfer des 10. Dezember 1944
An dem Gebäude in der Via Verdi, in dem das „Sondergericht für die öffentliche Sicherheit" tagte und die vier Männer hingerichtet wurden, befindet sich eine Gedenktafel.
Via Verdi 30
Gedenken an die Opfer des 11. Februar 1945
Im Gedenken an die Hinrichtungen vom 11. Februar 1945, denen 23 Männer zum Opfer fielen wurde an einer Mauer im Cimitero di San Vito eine Gedenktafel angebracht.
Piazzale Camposanto
Gedenken an die Opfer des 9. April 1945
An einer Außenmauer des Gefängnisses in der Via Spalato, in dessen Hof am 9. April 1945 die 29 Männer erschossen wurden, erinnert eine Gedenktafel an die Opfer (die hierauf mit 30 beziffert wurden).
Via Zara/Via Spalato
Gedenken an den Frauenwiderstand
Eine Tafel, die an die Frauen des Friaul erinnert, die sich - ganz ohne Waffen - den deutschen Besatzern widersetzten und die zur Deportation Verdammten unterstützten, befindet sich an der Fassade des Bahnhofs (in der Nähe des Taxistandes).
Eine weitere kleine Gedenkstätte für die Frauen, die sich im Friaul am Widerstand beteiligten, befindet sich vor der Schule an der Piazzale Cavedalis.
Einrichtungen:
Istituto Friulano per la storia del movimento di liberazione, Viale Ungheria 46, 33100 Udine, Tel.: 0432-295475, E-Mail: [email protected]. www.ifsml.it/presentazione.htm.
Literatur / Medien:
Schreiber, Gerhard: Deutsche Kriegsverbrechen. Täter, Opfer, Strafverfolgung. München 1996¸ Wedekind, Michael: Nationalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien. 1943 bis 1945. Die Operationszonen „Alpenvorland“ und „Adriatisches Küstenland“ (= Militärgeschichtliche Studien. Bd. 38), München 2003; Stefano Di Giusto, Operationszone Adriatisches Küstenland, Udine Gorizia Trieste Pola Fiume e Lubiana durante l'occupazione tedesca 1943-1945, Udine 2005;
Auszug aus der deutsch-italienischen Datenbank „Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia" zu den Geschehnissen am 10. Dezember 1944;
Auszug aus der deutsch-italienischen Datenbank „Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia" zu den Geschehnissen am 11. Februar 1945;
Auszug aus der deutsch-italienischen Datenbank „Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia" zu den Geschehnissen am 9. April 1945