Region Venetien, Provinz Verona
Der Ort
Die Kommune Pescantina an der Etsch mit gegenwärtig knapp 17.000 Einwohner/innen (2012) liegt etwa 14 km nordwestlich von Verona, in Richtung Westen etwa gleich weit vom Gardasee entfernt an der Bahnlinie Verona-Trento-Bozen. Pescantina ist vom Norden und von Verona aus am einfachsten auf der Strada Statale Nr. 12 erreichbar.
Die Ereignisse
Die im Ortsteil Balconi liegende Bahnstation ist längst geschlossen. Die gesamt Region um Verona und die für Güter- und Personentransporte wichtige Bahnlinie war in den Besatzungsjahren 1943-1945 ein von der deutschen Wehrmacht massiv gesichertes Gebiet. Das zur Festung ausgebaute Verona bildete das Zentrum. In Pescantina selbst unterhielt die deutsche Militärverwaltung zahlreiche Lagerhallen mit umfangreichen Nahrungsmittelvorräten für die Besatzungstruppen. Durch den Bahnhof rollten nach Beginn der Besatzung am 8. September 1943 in Richtung Süden Versorgungs- und Truppentransporte, in Richtung Norden vor allem die Deportationszüge mit italienischen Gefangenen: zur Zwangsarbeit nach Deutschland Deportierte, italienische und nach Italien geflüchtete Juden, Mitglieder der Resistenza oder einfach „Verdächtige“. Sie wurden in die deutschen Lager geschafft.
Nach der Befreiung im April 1945 kam dem unzerstört gebliebenen kleinen Bahnhof Balconi in Pescantina dann jene Funktion zu, die der Hauptbahnhof Veronas, Porta Nuova, wegen schwerer Kriegsschäden nicht mehr ausüben konnte: Balconi wurde zwei Jahre lang zur Zielstation für hunderte Transporte mit Überlebenden, aus den deutschen Arbeits- und Konzentrationslagern zurückkehrenden Deportierten. In den Jahren 1945 bis 1947 erreichten insgesamt ungefähr 700.000 Rückkehrer Pescantina. Um den Bahnhof Balconi herum entstand damals eine Baracken- und Zeltstadt mit drei großen Teillagern, deren Grundflächen inzwischen zumeist überbaut sind. In dieser Zeit entwickelte die Bevölkerung Pescantinas – mit personeller, finanzieller und organisatorischer Unterstützung des Roten Kreuzes und der katholischer Hilfswerke - eine bewundernswerte, vor allem von Frauen und Mädchen getragene Praxis freiwilliger und selbstloser Hilfsbereitschaft, die alle Aspekte der täglichen Versorgung, der medizinischen und der menschliche Betreuung in diesem „Campo Reduci Balconi“, dem Heimkehrerlager Balconi, umfasste.
Gedenken
Ein Gedenkort, der am 25. September 1966 eingeweiht wurde, erinnert an das ehemalige Lager, in dem die aus deutschen Lagern Heimgekehrten von der Einwohnerschaft Pescantinas aufgenommen und aufopferungsvoll betreut wurden.
Wegbeschreibung: vom Ortszentrum Richtung Norden mit dem Pkw über die Via Madonna und deren Fortsetzung, die Via Roma, bis zur Via Brennero (Ampel); nach der Überquerung weiter in der Via Ex Internati (Sackgasse), an deren Ende zu Fuß durch die Unterführung, auf der anderen Seite rechts ca. 500 m auf der Via della Memoria bis zum Gedenkort.
Literatur / Medien:
Associazione Nazionale Ex Internati ((A.N.E.I.): Qui i Fratelli Caduti nei Lager Nazisti perennemente Reduci d’Amore e di Libertà (= Dokumentation der Gedenkfeier am 25. September 1966, o.O., o.J.); Carla Giacomozzi in: Conoscere e Capire … e Non Dimenticare. Storia del “Campo Reduci Balconi” di Pescantina (VR), 1945-1947, o.O., o.J. (beide Publikationen in der Ortsbibliothek von Pescantina); zum Projekt „Städte der Erinnerungen“: http://www.gemeinde.bozen.it/cultura_context.jsp?ID_LINK=2933&area=11