Unter dem zynischen Codenamen „Aktion Waldfest“ verübten Wehrmacht, Gestapo und SS von August bis November 1944 während ihres Rückzugs aus Frankreich zahlreiche Grausamkeiten und Verbrechen in Lothringen und angrenzenden Regionen. Tausende Menschen wurden in die KZ deportiert oder zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt, aus ihren Gemeinden zwangsevakuiert, Häuser, Gehöfte und ganze Orte geplündert und verwüstet („Verbrannte Erde“), Familien auseinandergerissen, über tausend überlebten nicht.

Organisation
Die Aktion beruhte auf einem strategischen Plan der Wehrmacht. Um den „Schutzwall-West“ abzusichern und den Alliierten „in der kalten Jahreszeit kein wohnliches Haus“ zu überlassen, sollten die männlichen Arbeitskräfte zur Zwangsarbeit abtransportiert, die restliche Bevölkerung evakuiert und die Ortschaften zerstört werden (Auszüge aus den Befehlen unten). SS- und Gestapochef Himmler hatte den Auftrag, die deutsche Grenze „mit allen Mitteln“ zu halten und war einmal persönlich vor Ort (Konferenz von Gérardmer am 6.9.1944). Verantwortlich waren für die Wehrmacht:  die Generäle Erich von Kirchbach und Hermann Balck; für SS und Gestapo: Carl Oberg (der oberste SS- und Polizeichef von Frankreich), Friedrich Stuhr (neuer SS- und Polizeiführer im Elsass) und Erich Isselhorst (Befehlshaber der Sicherheitspolizei von Baden-Elsass). Viele der aus den inzwischen befreiten Gebieten Frankreichs ins Reich zurückkehrenden SS, SD- und Gestapo-Chargen wurden in das lothringische Grenzgebiet beordert, wo sie – in Absprache mit der Wehrmacht – in Einsatzkommandos die Jagd auf Widerständler, die Deportationen und Massenevakuierungen vorbereiteten und durchführten. Die Befehlszentrale befand sich im SS-Lager Schirmeck.

Ziele waren:

1. Aufbau einer Verteidigungslinie („Schutzwall West“) vor der Grenze des „Großdeutschen Reichs“ westlich des Vogesenskamms. Zu Schanzarbeiten und Bau von Panzergräben wurden zunächst Hitlerjungen aus Baden und dem Elsass eingesetzt. Als die Front näher rückte, wurden die Einwohner der Dörfer dazu zwangsverpflichtet.

2. Ausmerzung des Widerstands: Im August 1944 griff die Wehrmacht in gezielten Aktionen einzelne Maquis an und/oder suchte mit Hilfe der Gestapo und frz. Kollaborateure Maquisards und Unterstützer in den Dörfern; sie wurden vor Ort erschossen oder in die KZ deportiert (z.B. Grandrupt, Moussey, La Bresse/Piquante Pierre, Neufmaisons/Viombois); 39 gefangengenommene  britische SAS-Fallschirmjäger wurden erschossen. Als das nicht den gewünschten Erfolg hatte, wurde in zwei Wellen am 24. September und 5./6. Oktober 1944 die arbeitsfähige Bevölkerung (Jugendliche und Männer zwischen 16 und 50 Jahren) ganzer Dörfer in Razzien verhaftet  und in die KZ deportiert (z.B. Le Saulcy, Pexonne, Rabodeau-Tal, Senones, Ventron).  

3. Aushebung von Zwangsarbeitern, Zerstörung von Dörfern und Infrastruktur: Abhängig vom Frontverlauf wurden in den westlicher gelegenen Gebieten ab Ende September, in den Vogesen um den 8. November 1944 in über 70 Gemeinden große Teile der Bevölkerung nach (Süd-)Deutschland zur Zwangsarbeit, meist in Rüstungsbetrieben, deportiert, die restliche Bevölkerung aus dem Ort in Richtung Front vertrieben, Häuser und Höfe sowie zahlreiche Ortschaften geplündert und systematisch in Brand gesteckt oder gesprengt (vgl. Hurbache, La Bresse, Saint-Dié). Es war die Kriegspolitik der „verbrannten Erde“, die die Deutschen bis dato vor allem in Osteuropa betrieben hatten. Ziel war, die vorrückenden Alliierten jeglicher örtlichen Unterstützung zu berauben.

Bilanz
Im Rahmen der „Aktion Waldfest“ wurden mehrere tausend Menschen wegen – oft nur vermuteter – Résistance-Tätigkeit oder als „Repressalmaßnahme“ in die Konzentrationslager deportiert, außerdem wurden etwa 8.000 Männer und Jugendliche aus über 70 Orten zur Zwangsarbeit nach (Süd-) Deutschland verschleppt. Viele Gebäude und Gemeinden wurden ganz oder teilweise zerstört.

Allein im Departement Vosges waren zu beklagen:

  • 376 Erschossene
  • 110 im Kampf getötete Maquisards
  • 3.762 in die KZ Deportierte (davon über zwei Drittel umgekommen)
  • 4.746 zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt
  • 5.600 Arbeiter im Rahmen des STO verschleppt
  • 555 Internierte (39 gestorben)
  • 1.000 Menschen infolge von Bombardierung getötet
  • hunderte Witwen und Waisen
  • 7.500 Gebäude zerstört.


Status der Zwangsarbeiter
Sie bekamen in Frankreich nach der Befreiung nicht den Status von Deportierten, der war und ist den in KZ oder Gefängnisse verbrachten Personen vorbehalten. Nach einigen Zwischenetappen wird seit 1970 das spezifische Leid und die Verfolgung der zur Zwangsarbeit verschleppten Menschen aus Ostfrankreich unter dem Namen „Patriote tranféré en Allemagne“ (PTA – „nach Deutschland verschleppter Patriot“) anerkannt. In der Praxis ist in der Erinnerungsliteratur, in den betroffenen Orten, und auf den Gedenktafeln meist von „déportation“ die Rede (deutsch: Deportation oder Verschleppung).
Nach dem deutschen Gesetz zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeit vom April 2000 konnten die – wenigen – noch Lebenden unter sehr engen Voraussetzungen eine Entschädigung erhalten, faktisch waren sie aber eine kleine Ausnahme.

Literatur/Medien
Association des déportés de Mannheim, Saint-Dié – KZ-Gedenkstätte Mannheim-Sandhofen (Hg.): Les Hommes de Saint-Dié – Die Männer von Saint-Dié,  Herbolzheim 2000, S. 15ff, 45ff.
Mougel, Nadège: Zwangsarbeiter aus den Vogesen in Pforzheim (1944–1945)/Les Travailleurs Forcés des Vosges à Pforzheim (1944–1945), Ubstadt-Weiher 2012, S. 11ff., 15ff.
Nestler, Ludwig/Schulz, Friedel: Die faschistische Okkupationspolitik in Frankreich (1940–1944). Dokumentenauswahl und Einleitung, Berlin 1990
Lieb, Peter: Konventioneller Krieg oder NS-Weltanschauungskrieg? Kriegführung und Partisanenbekämpfung in Frankreich 1943/44, München 2007, S. 275ff., 494ff.
www.resistance-deportation.org/spip.php?article159
www.resistance-deportation.org/spip.php?article54
www.resistance-deportation.org/spip.php?article48



Auszug aus Wehrmachtsbefehlen
Befehl von Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, vom 8. Juli 1944:
    
„2. Aus bandenverseuchten Gebieten ist die gesamte arbeitsfähige Bevölkerung, die in irgendeiner Weise des Zusammenwirkens mit Banden, Widerstandsorganisationen und dgl. überführt oder als verdächtig bzw. sympathisierend bezichtigt werden kann, durch die bei den Bandenunternehmen eingesetzte Truppe geschlossen in vorzubereitende Auffanglager und von dort in das Reich zum Arbeitseinsatz abzubefördern.“

Weisung von General der Panzertruppe Hermann Balck, Oberbefehlshaber der Wehrmachtsgruppe G, an Armeeoberkommando 19 vom 2. November 1944:
    
„Es ist beabsichtigt, AOK 19 (=Armeeoberkommando 19) im Abschnitt von Montigny (Meurthe- et-Moselle) bis La Bresse (Vosges) ab 15.11.1944 in die West-Stellung zurückzunehmen. (...) Hierzu wird im einzeln befohlen: (...)
2. Die totale Räumung und Zerstörung des Gebietes westlich der West-Stellung:
a) Dieses Gebiet muß bis zum 10. d.M. völlig von allem lebenden und toten Inventar, das dem Gegner irgendwie von Nutzen sein kann, geräumt werden. In Sonderheit sind zu evakuieren der gesamte Viehbestand, alle Pferde einschl. Geschirr und Fahrzeuge, die Ernte einschl. Heu, alle Lebensmittel.
b) Die wehrfähige Bevölkerung im Alter von 15-60 Jahren ist geschlossen über den Rhein abzutransportieren, während die sonstige Bevölkerung – in einem Ortsteil zusammengefaßt – in dem zu räumenden Gebiet zu verbleiben hat. Diese Ortsteile sind so zu wählen, daß sie unter Art.(illerie)-Feuer genommen werden können. (...)
c) Sämtliche Ortschaften (ausgenommen Teile, in denen sich noch die Zivilbevölkerung ... befindet) sind zu zerstören. Der Gegner darf in der kalten Jahreszeit kein wohnliches Haus zur Verfügung haben. (...) Alle Brücken sind zu zerstören...“

(Quelle: Nestler u.a., a.a.O., S. 315 bzw. 323f.)