Zusammenfassung
Résistance bezeichnet:
(1) den Widerstand gegen die deutsche und italienische Besatzung sowie gegen das Vichy-Regime und kollaborierende Bevölkerungsgruppen;
(2) ist der Sammelbegriff für alle Widerstandsgruppen, -bewegungen und -netzwerke. Es wird zwischen „innerem“ (in Frankreich; résistance intérieure)  und „äußerem“ Widerstand (von außerhalb/London, für Frankreich; résistance extérieure; FFL) unterschieden.
Zu Beginn waren es sehr wenige einzelne Männer und Frauen, die Mehrheit verhielt sich abwartend und hatte zunächst Vertrauen in Pétain. Mit der Kriegswende 1942/43, der Judenverfolgung, den Deportationen und dem STO-Zwangsarbeitsdienst wuchs die Zahl der Widerständler. 1944 waren um die 200.000 Personen in der Résistance, etwa 2% der frz. Bevölkerung. Am Anfang waren es individuelle Verweigerungs- und Widerstandsakte, später bildeten sich Gruppen. Sie hatten unterschiedliche Ziele und Vorgehensweisen (Flugblätter, Zeitungen, Demonstrationen, Fluchthilfe, Sabotage, Anschläge, Maquis). 1943 gelang u.a. dank des Einsatzes von Jean Moulin die Einigung der wichtigsten Gruppen (MUR, CNR, FFI). Der Beitrag der Résistance zur BefreiungFrankreichs ist unbestritten: 34 der 226 Bezirkshauptstädte befreite die Résistance selbständig, in einzelnen Fällen beteiligte sich die Bevölkerung aktiv (z.B. in Korsika; vgl. Volksaufstand). Wichtige programmatische und praktische Forderungen des CNR und der provisorischen Regierung (CFLN) wurden nach der Befreiung umgesetzt. Die Résistants werden vor Ort an durch lokale Ereignisse geprägten Tagen geehrt. Seit 2014 ist der 27. Mai der Nationale Gedenktag der Résistance (vgl. Gedenktage).


1. Motive
Die Motive waren unterschiedlich. Gemeinsam war ihnen die Ablehnung der Besatzung, der  Unterwerfung Frankreichs. Für einige ging es darum, Frankreich im Krieg zu halten – auch um nachher bei den Siegermächten zu sein. Darunter gab es auch Anhänger des Vichy-Regimes, denen die Kollaboration zuwider war. Andere kämpften von vorneherein auch gegen die autoritäre und freiheitsfeindliche Politik der „Nationalen Revolution“ Vichys. Für viele waren Geiselerschießungen, die antijüdischen Razzien und Deportationen, oder der STO-Zwangsarbeitsdienst in der deutschen Kriegswirtschaft der Auslöser. Viele verbanden den Kampf für die Befreiung mit Vorstellungen für eine neue, sozial gerechte Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Andere engagierten sich nur für (para)militärische Aktionen und lehnten jegliche politische Aktivitäten ab.

2. Träger des Widerstands
Alle Bevölkerungsgruppen, Menschen aller politischen, philosophischen und religiösen Überzeugungen, alle Berufe waren in der Résistance vertreten. Städter, Juden, demokratsiche Christen, Sozialisten und Kommunisten waren über-, Bauern, Bürgerliche und Unternehmer unterrepräsentiert. In den Maquis waren vor allem junge Männer zwischen 22 und 25 Jahren.
Zu einzelnen Widerstandskämpfern vgl. Frankreich, Biografien; Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2006, S. 343–552; http://fr.wikipedia.org/w/index.php?title=Cat%C3%A9gorie:R%C3%A9sistant_fran%C3%A7ais&pageuntil=Brettes%2C+Robert%0ARobert+Brettes#mw-pages

Frauen stellten ungefähr 15% bis 20% der résistants, selten in bewaffneten Einheiten  eingesetzt; vgl. Artikel Frauen in der Résistance; Biografien; Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2006, S.  884ff.; http://fr.wikipedia.org/wiki/Femmes_dans_la_R%C3%A9sistance_int%C3%A9rieure_fran%C3%A7aise

Ausländer, häufig doppelt bedroht durch die Repressions- und Verfolgungsmaßnahmen der Besatzer und von Vichy, waren in allen Bereichen des Widerstands tätig, mit besonders hohen Anteil in den bewaffneten Einheiten, bes. der FTP-MOI: ausländische Juden, republikanische Spanier, italienische und deutsche Antifaschisten; vgl. Artikel Ausländer in der Résistance; Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2006, S. 881ff.; www.memoire-net.org/etran/index.html

3. Widerstandsgruppen
Nach individuellen Aktionen Einzelner, wie z.B. der Aufruf von Edmond Michelet, und den lockeren Netzen („bricolage héroique“) entwickelten sich organisierte Gruppen, oft um eine illegale Zeitung herum, typischerweise an einem Ort, erst später auch ortsübergreifend in einer Region. Meist differenzierten sie ihre Tätigkeiten im Laufe der Zeit: falsche Papiere, Unterstützungen; politisch: Herausgabe einer Zeitung, Unterwanderung der Vichy-Administration; paramilitärisch: freie oder Aktionsgruppen für Anschläge etc., später Maquis. Bei den Netzen oder Netzwerken (réseaux) lag der Schwerpunkt auf Nachrichtendienst und Fluchthilfe, bei den Bewegungen (mouvements) auf Propaganda. Sie waren politisch unterschiedlich ausgerichtet, die meisten rekrutierten ihre Anhänger aber nicht nur in einem politischen Milieu. Auch taktisch gab es wichtige Unterschiede: Die einen setzten auf unmittelbare Aktionen und Anschläge gegen die Besatzer, auch um das Trugbild von einer friedlichen Besatzung zu zerstören; andere sahen ihre Aufgabe eher darin, sich zunächst auf Spionage, Propaganda und Sabotage zu beschränken, und erst nach der Landung in der Normandiedie Truppen bei der Befreiung zu unterstützen. Eine Koordinierung und Einigung erfolgte 1943/1944 unter Jean Moulin zu den MUR, CNR bzw. FFI.
Bekannte Gruppen waren z.B. Alliance, Ceux de la Résistance, Ceux de la Libération, Combat, Défense de la France, Franc-Tireur, FTP, FTP-MOI, Libération-Nord, Libération-Sud, Organisation Civile et Militaire. Vgl. Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2006, S. 94ff.; http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A9sistance#Organisation

4. Formen des Widerstands
Auf die Frage „Was haben die résistants typischerweise getan?“ antworten viele z.B. „Züge zum Entgleisen gebracht“. Die Formen des Widerstands waren vielfältiger.
(a) Ziviler/politischer Widerstand: z.B. Gesprächskreise Gleichgesinnter, Information und Aufklärung durch Parolen, Klebe- und Streuzettel, Herstellen und Verbreiten illegaler Flugblätter und Zeitungen, Untergrund-Druckereien; Herstellen falscher Papiere (Personalausweise, Lebensmittelkarten, Passierscheine etc.); Versammlungen und Demonstrationen z.B. von Hausfrauen gegen Lebensmittelknappheit und Mangelwirtschaft, oder anlässlich von Nationalfeiertagen wie 14. Juli oder 11. November; Streiks gegen Lohnkürzung, Versorgungsmängel oder STO-Zwangsarbeit; Fluchthilfe für alliierte Soldaten, aus Gefangenenlagern, für von der Besatzungsmacht oder Vichy gesuchte Menschen; Hilfe, Verstecken, Unterbringung, Nahrung und Rettung für gefährdete Kinder, Flüchtlinge, Widerstandskämpfer; Transport von Menschen und Waren, Kurierdienste; Aufklärung unter deutschen Soldaten (vgl. TA).
(b) Bewaffneter/militärischer Widerstand: teilweise in freien oder Aktionsgruppen, Partisaneneinheiten oder Maquis; z.B. Nachrichtendienst, Auskundschaften von Stärke, Bewaffnung, Befestigungsanlagen, Verteidigungsbauten, Schiffen, Flugzeugen der Besatzungstruppen; Übermittlung und  Empfang von Nachrichten per Funk; Beschaffen von Waffen und Transportmitteln; Vorbereiten von geeigneten Plätzen für den Abwurf von Waffen per Fallschirm; Sabotage an für die Besatzungsmacht wichtigen Einrichtungen, z.B. Lastwagen, Eisenbahnlinien, Bahnhöfen, Rüstungsfabriken; Anschläge auf Soldatenkinos, Verwaltungsgebäude; Anschläge auf Besatzungssoldaten und Kollaborateure.
(c) „Literarische Résistance“: Die Autoren handelten nicht als Teil der zivilen/militärischen Widerstands. Sie publizierten illegal literarische Texte, meist in Zeitschriften, und gaben dem Widerstand eine Stimme. Bekannte Schriftsteller sind z.B. Louis Aragon, Paul Éluard, Jean Bruller (Vercors)

5. Repression gegen den Widerstand
Nach NS-und Wehrmachtslesart war jeglicher Widerstand gegen die Besatzer illegitim. Die Résistance wurde als verbrecherisch gebrandmarkt und die Widerständler als „Freischärler“ für vogelfrei erklärt. Widerstandsbekämpfung und (Juden-)Deportationen entwickelten sich parallel. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion und den ersten Anschlägen auf deutsche Soldaten verschärfte sich die Gangart der Behörden. 1941/42 wurde die Repression durch Geiselerschießungen, Internierung und Deportation wesentlich verschärft.
Hautpakteure waren: Die deutsche Militärverwaltung incl. der Militärgerichte; ab Mitte 1942 SS, SiPo/SD/Gestapo; die italienische OVRA und Militärgerichte; die Vichy-Polizei, Milice und Sondergerichte.Etwa 3.000 Menschen wurden nach Urteilen deutscher Kriegsgerichte erschossen.
Geiselerschießungen: Die Gesamtzahl ist nicht bekannt. Allein in der besetzten Zone (ohne Nord – Pas-de-Calais) waren es 810 zwischen 1941 und 1943.
Internierung: Etwa 600.000 Personen wurden in Haftstätten und Lagern interniert, zunächst mit dem Ziel der Ausschließung aus der Gesellschaft, später mit dem Ziel der Deportation.
Deportationen: Etwa 86.000 Personen wurden aus politischen Gründen deportiert, meist wegen Widerstandshandeln; etwa 76.000, überwiegend Juden, aus rassistischen Gründen.

Eine weitere Radikalisierung und Brutalisierung erfolgte 1943/44: Die Deportationen wurden – auch wegen des Arbeitskräftebedarfs der deutschen Rüstungswirtschaft im  „totalen Krieg“ noch einmal gesteigert – zusätzlich wurden im Rahmen des STO-Zwangsarbeitsdienstes etwa 600.000 junge Männer in die deutsche Rüstungswirtschaft gezwungen. Bei der sog. „Bandenbekämpfung“ begingen Wehrmacht, SS und SiPo/SD, teilweise unterstützt von der französischen Milice,  zahlreiche Übergriffe und Massaker an der Zivilbevölkerung, die auf den Weg zu dem Massenverbrechen von Oradour-sur-Glane führten.

6. Programm der Résistance
Nach langen Diskussionen, die die unterschiedlichen politischen Positionen der Résistancegruppen widerspiegelten, billigte der CNR - Nationaler Widerstandsrat am 15. März 1944 einstimmig das „Aktionsprogramm der Résistance“. Es enthielt Kompromisse sowohl bei der Frage des sofortigen Vorgehens (action immédiate) bzw. des Abwartens bis zum Tag X (Landung in der Normandie) wie der Vorstellungen für eine neue Wirtschafts- und Sozialpolitik. Diese waren stark geprägt von einer sozialen Demokratie, sozialen Rechten, geplanter Wirtschaft und Dezentralisierung. Konkrete Maßnahmen waren u.a. Verstaatlichung der Energiewirtschaft, der Banken und Versicherungen; Aufbau der Sozialversicherung; Mitsprache der Beschäftigten in den Betrieben. Diese wurden in den Jahren bis 1947 zum Teil umgesetzt, danach geriet das Programm lange in Vergessenheit. 2004 – die Zerstörungen durch Neoliberalismus und Finanzwirtschaft stellten die Basis der sozialen Errungenschaften der Résistance in Frage – erneuerten 13 ehemalige Widerstandskämpfer in einem Aufruf die Forderung „nach Errichtung einer wirklichen wirtschaftlichen und sozialen Demokratie, die die großen Wirtschafts- und Finanzoligarchien von der Leitung der Wirtschaft ausschließt“ (vgl. hier; erneuert 2011: https://www.lemonde.fr/idees/article/2011/05/14/l-appel-d-anciens-resistants-aux-jeunes-generations_1522251_3232.html); vgl. auch Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2006, S. 651f., 1016f., 1063–1066; Hessel, Stéphane, Empört Euch!, 2011; Andrieu, Claire: Le programme commun de la Résistance. Des idées dans la guerre, Paris 1984;
http://fr.wikipedia.org/wiki/Programme_du_Conseil_national_de_la_R%C3%A9sistance

7. Zahlen
Nach der Befreiung wurden ca. 200.000 Personen als Combattant Volontaire de la Résistance (CVR; Freiwilliger Resistancekämpfer) anerkannt, 15% bis 20% waren Frauen. Wegen der strengen Voraussetzungen des CVR-Status lag die Zahl wahrscheinlich höher, etwa um die 260.000. Die Gesamtzahl der widerständigen Menschen zwischen 1940 und 1944 wird teilweise auf 500.000 geschätzt – wobei nur eine Minderheit von ihnen täglich und „in Vollzeit“ z.B. in einem Maquis im Einsatz war, die meisten gingen einer Berufstätigkeit nach und/oder waren in Wartestellung. Die Resistancekämpfer waren – entgegen einer nach der Befreiung verbreiteten Legende – immer eine Minderheit, auch 1944.
Die FFL hatten am Anfang einige tausend, ab 1943 etwa 60.000 Soldaten – etwa 2/3 kamen aus Nord- oder Schwarzafrika (Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2006, S. 339–342; http://www.memoire-net.org/article.php3?id_article=106).

8. Lied der Résistance

Chant des Partisans / Partisanenlied (1943)

Text: Maurice Druon und Joseph Kessel; Musik: Anna Marly

Ami, entends-tu le vol noir des corbeaux sur nos plaines ?
Ami, entends-tu les cris sourds du pays qu'on enchaîne ?
Ohé, partisans, ouvriers et paysans, c'est l'alarme.
Ce soir l'ennemi connaîtra le prix du sang et les larmes.

Montez de la mine, descendez des collines, camarades !
Sortez de la paille les fusils, la mitraille, les grenades.
Ohé, les tueurs à la balle et au couteau, tuez vite !
Ohé, saboteur, attention à ton fardeau: dynamite...

C'est nous qui brisons les barreaux des prisons pour nos frères.
La haine à nos trousses et la faim qui nous pousse, la misère.
Il y a des pays où les gens au creux des lits font des rêves.
Ici, nous, vois-tu, nous on marche et nous on tue, nous on crève...

Ici chacun sait ce qu'il veut, ce qu'il fait quand il passe.
Ami, si tu tombes un ami sort de l'ombre à ta place.
Demain du sang noir sèchera au grand soleil sur les routes.
Chantez, compagnons, dans la nuit la liberté nous écoute...

Ami, entends-tu ces cris sourds du pays qu'on enchaîne ?
Ami, entends-tu le vol noir des corbeaux sur nos plaines ? …

deutsch (übersetzt von KuBa = Kurt Barthel)

Freund, hörst du den Flug schwarzer Raben im Zug überm Lande?
Freund, hörst du, es klirrt eine Kette, man schirrt uns in Bande!
Prolet, auf den Plan, und du Bauernpartisan: Auf den Posten!
Heut nacht trägt der Feind für das Blut, das wir geweint, alle Kosten.

Aus den Schächten herauf, von den Bergen zuhauf, Kameraden,
Setzt Flinten instand, nehmt Patronen zur Hand und Granaten!
He, Haudegen, zück deinen Dolch und schlag zurück, lass sies spüren!
He, vorsichtig Mann, mit dem Päckchen, denn es kann explodieren!

Bricht Gitter und Stein, sind wir da und befrein unsere Lieben.
Von Hass und Not und von Hunger bedroht und getrieben.
Sind Länder, daliegt man im Bette wie gewiegt, ohne Sorgen.
Doch wir, wir marschieren, schlagen tot und wir, krepieren vielleicht morgen.

Wer mit uns ist, weiß, unsre Sache ist heiß und sehr teuer.
Freund, fällst du, so steht schon ein andrer und geht vor uns ins Feuer.
Geronnenes Blut bäckt am Weg in Sonnenglut, wo wir gingen.
Zieht singend zur Schlacht, denn die Freiheit hört zur Nacht unser Singen!

Freund, hörst du den Flug schwarzer Raben im Zug überm Lande?
Freund, hörst du, es klirrt eine Kette, man schirrt uns in Bande! …

Quelle: Selle, Irene (Hg.): Frankreich meines Herzens,  Leipzig 1987, S. 200ff.


Literatur/Medien
Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2006
Prauser, Steffen: Résistance gegen Kollaboration und Besatzungsmacht 1940–1944, in: G. Ueberschär/P. Steinkamp (Hg.): Handbuch zum Widerstand gegen Nationalsozialismus und Faschismus in Europa 1939–1945, Berlin 2011, S. 97–110.
Schneider, Ulrich: Die Résistance, Köln 2019
Wieviorka, Olivier: Histoire de la Résistance 1940-1945, Paris 2013
http://fr.wikipedia.org/wiki/R%C3%A9sistance_int%C3%A9rieure_fran%C3%A7aise