Paul Èluard (1945)Paul Éluard (eigentlich Eugène-Émile-Paul Grindel), Dichter des Surrealismus und der Résistance, wuchs in einer Familie von Kleinhändlern auf. Er wurde während des 1. Weltkriegs zum Pazifisten. Er schrieb ab dann Gedichte. Von 1926 bis zum Ausschluss 1933 engagierte sich in der Französischen KP, in die er 1942 in der Illegalität erneut eintrat. Er war Teilnehmer des Amsterdamer Antifaschistischen Kongresses 1935 und des Ersten Internationalen Schriftstellerkongresses zur Verteidigung der Kultur in Paris 1935, aktiv im Wachsamkeitskomitee der Antifaschistischen Intellektuellen und in der Solidarität mit der Spanischen Republik (Gedichte „Der Sieg von Guernica“, 1947).

Ab 1943 leitete er das Comité National des Écrivains in der Nordzone. Er schrieb 1943 „Poésie et vérité“ (Dichtung und Wahrheit), ein Plädoyer für eine engagierte Dichtung, und „L’Honneur des poètes“ (1943-33). Nach der Befreiung von Paris 1944 erschien „Au rendez-vous allemand“ (Zum deutschen Treff), eine Sammlung seiner Resistance-Gedichte.
Unter seinen bekanntesten Gedichten: „Mut“ (Paris friert Paris hungert/ Paris isst keine Kastanien mehr auf der Straße/…, 1942) und „Liberté“ (Freiheit – Text siehe unten), es wurde in tausenden Exemplaren von britischen Flugzeugen über dem besetzten Frankreich abgeworfen und von Fernand Léger illustriert: https://histoiresduniversites.wordpress.com/2017/06/12/liberte-jecris-ton-nom/
Er war u.a. mit Max Ernst, Pablo Picasso, Joan Miró und Salvador Dali befreundet.

Literatur/Gedichtsammlungen
Politische Gedichte. Mit einem Vorwort von Louis Aragon. Deutsch von Stephan Hermlin, Berlin (DDR) 1949
Frankreich meines Herzens. Die Résistance in Gedicht und Essay. Hrsg. von Irene Selle, Berlin (DDR) 1987
https://fr.wikipedia.org/wiki/Paul_%C3%89luard

 

Paul Éluard: Liberté                                          Freiheit, deutsch von Stephan Hermlin

 

Auf die Hefte meiner Schulzeit

Auf mein Pult und an die Bäume

In den Sand in den Schnee

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf alle gelesenen Seiten

Auf alle leeren Seiten

Stein Blut Papier oder Asche

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf die goldenen Bilder

Auf die Waffen der Krieger

Auf die Krone der Könige

Schreibe ich deinen Namen

 

In die Dschungel und die Wüste

Auf die Nester auf den Ginster

Auf das Echo meiner Kindheit

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf die Herrlichkeit der Nächte

Auf das weiße Brot der Tage

Auf die verlobten Jahreszeiten

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf alle meine Fetzen Himmelblau

In den Teich Schimmel der Sonne

Auf den See atmender Mond

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf die Felder am Horizont

Auf die Schwingen der Vögel

Und auf die Mühle der Schatten

Schreibe ich deinen Namen

 

In jeden Hauch des Morgenrots

Auf das Meer an die Schiffe

Auf den entfesselten Berg

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf das Moos der Wolken

In den Schweiß des Gewitters

in den fad-fetten Regen

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf die leuchtenden Formen

Auf die Glocken der Farben

Auf die greifbare Wahrheit

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf die erwachten Pfade

Auf die entfalteten Straßen

Auf die überströmenden Plätze

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf die entzündete Lampe

Auf die erlöschende Lampe

Auf meine versammelten Häuser

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf die geteilte Frucht

Des Spiegels und meiner Kammer

Auf mein Bett leere Schale

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf meinen Hund zärtliches Freßmaul

Auf seine aufrechten Ohren

Auf sein ungeschicktes Pfötchen

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf die Schwelle der Tür

Auf die vertrauten Dinge

In den Strom geweihten Feuers

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf jeden Leib der sich mir gibt

Auf die Stirn meiner Freunde

Auf jede Hand die sich ausstreckt

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf das Glas der Überraschung

Auf die Lippen voller Erwartung

Sehr hoch über das Schweigen

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf meine zerstörte Zuflucht

Auf meine gestürzten Leuchtfeuer

An die Mauern meiner Langeweile

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf das Fernsein ohne Begierde

Auf die nackte Einsamkeit

Auf die Stufen des Todes

Schreibe ich deinen Namen

 

Auf die wiedergekehrte Gesundheit

Auf die verschwundene Gefahr

Auf die Hoffnung ohne Erinnerung

Schreibe ich deinen Namen

 

Und durch die Macht eines Wortes

Beginne ich mein Leben noch einmal

Ich lebe um dich zu kennen

Um dich zu nennen

 

FREIHEIT