Die Jüdische Gemeinde Thessalonikis fordert von der Bahn AG als historisches Nachfolgeunternehmen der Reichsbahn die Rückzahlung der Beträge, mit denen die Deportationsopfer (siehe auch: Judenverfolgung in Griechenland) selbst ihre Fahrkarten für die Zugfahrt in die Vernichtungslager zu bezahlen hatten. Als staatseigenes deutsches Unternehmen berechnete die Reichsbahn in Griechenland wie überall in Europa pro Deportiertem und pro Schienenkilometer 2 Reichspfennige.
Nach einem Gutachten der NGO Zug der Erinnerung e. V., die zusammen mit der jüdischen Gemeinde die Forderungen geltend macht, soll die Reichsbahn bei den ab Thessaloniki erfolgten Massendeportationen die Menschen gezwungen haben, Fahrtkosten im Wert von jeweils im Schnitt (abhängig vom Deportationsziel) 39 Reichsmark durch Begleichung der Kosten bei Ausgabe der Gruppen- oder/und Einzelfahrausweise vor Ort oder durch kollektive Haftung der Deportierten mittels Beschlagnahme ihres mobilen und/oder immobilen Vermögens zu zahlen. Diese Einnahmen der Reichsbahn beliefen sich auf einen Gesamtbetrag (nach heutigem Wert zzgl. eines kumulierten Zinssatzes von 2,5 %) von 89 Millionen Euro. Dieser Betrag wurde den Überlebenden und Erben der Holocaust-Opfer niemals zurückerstattet.
Deutsche Bahn und die Bundesregierung als deren Eigentümerin verweigern jegliche Entschädigungen und ziehen sich darauf zurück, dass alle Forderungen abgegolten („spezialgesetzlich abschließend geklärt“) seien (siehe auch: Entschädigung für Verbrechen an der Zivilbevölkerung Griechenlands, Reparationen, Staatenimmunität).
Anders reagierte Frankreich, deren nationale Bahngesellschaft SNCF (Société Nationale des Chemins de fer Français) ebenfalls Beihilfe leistete bei Massendeportationen aus Frankreich in deutsche Vernichtungslager: Nach jahrelanger Leugnung und bei Androhung des Ausschlusses vom amerikanischen Markt verpflichtete sich die französische Regierung zur Zahlung von 60 Millionen US-Dollar für nicht-französische Opfer und ihre Erben (Vertrag zwischen Frankreich und den USA vom 8. Dezember 2014). Darüber hinaus zahlt die SNCF an zivilgesellschaftliche Organisationen, Museen und Gedenkstätten weitere Beträge, um die Erinnerungsarbeit zu unterstützen.
Literatur / Medien:
www.zug-der-erinnerung.eu; dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/059/1805970.pdf (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 18/5846 vom 10.09.2015: Rückerstattung der Fahrtkosten für unter Mitwirkung der Deutschen Reichsbahn deportierte Nazi-Opfer); www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/21813; www.spiegel.de/spiegel/print/d-84631735.html