Hauptstadt der Region Ligurien und Provinz Genua
Die Stadt
Genua bildete mit Turin und Mailand das „Triangolo“, das industrielle Ballungsgebiet Norditaliens, in dem 1944 zusammen über 4,5 Millionen Menschen wohnten, 20 Prozent der gesamten italienischen Bevölkerung. Als Rückgrat der norditalienischen Kriegswirtschaft waren diese Städte für den Machterhalt des Ende September 1943 installierten Marionettenregimes von Salò ebenso wichtig wie für die deutschen Besatzer. 30.000 Menschen sollten allein aus Genua als Zwangsarbeiter deportiert werden, um qualifizierte Arbeiter für die Munitions-, U-Boot- und Panzerfertigung in Deutschland zu erhalten. Besonders betroffen war davon die Belegschaft der Genueser Werft- und Rüstungsbetriebe Ansaldi, der größten Firma Liguriens. (Die Quote wurde nicht erfüllt: Dem Vorstandsvorsitzenden von Ansaldi, der auch den CLN finanziell unterstützte, gelang es u.a. durch zugesagte Produktionssteigerungen vor Ort, Massendeportationen immer wieder zu unterlaufen).
Während der 20 Monate währenden Besatzung versuchten kleinere Aktionsgruppen der GAP (Gruppi d’Azione patriottica) immer wieder, mit Bombenanschlägen, Attentaten und Sabotage militärischer Einrichtungen das Besatzungsregime zu erschüttern.
Am 25. April 1945 ergaben sich – entgegen strikter Weisung aus dem „Führerhauptquartier“ – die deutschen Truppen unter dem Kommando von Generalmayor Günther Meinhold dem CLN (siehe: Villa Migone).
Gedenkorte
An über 200 verschiedenen Orten wird in der Stadt Genua der Opfer des Widerstandes gegen deutsche Besatzung und faschistische italienische Herrschaft gedacht.
Museo della Resistenza Europea in der Casa dello Studente
Die Universität Genua ließ die Casa dello Studente am Corso Aldo Gastaldi (damals: Corso Giulio Cesare) zwischen 1933 und 1935 errichten. Kurz nach Fertigstellung wurde das 5-geschossige Gebäude von der Faschistischen Partei übernommen. Nach der Besetzung Genuas durch deutsche Truppen war die Casa dello Studente ab Mitte Oktober 1943 u.a. Sitz der Gestapo, war deren Verhör- und Folterzentrum unter Leitung von SS-Obersturmbannführer Friedrich Engel, dem SD- und Polizeichef von Genua, der in internationalen Medien auch als „Schlächter von Genua“ bezeichnet wird.
Nach dem Krieg wurde die Casa dello Studente wieder von der Universität genutzt. Die Gefängniszellen wurden als Vorratsspeicher für die Mensa verwendet und der Zugang zum für die Folterungen genutzten unterirdischen Luftschutzraum wurde zugemauert.
Nachdem Studenten Ende der 1960er-Jahre zusammen mit ehemaligen Widerstandskämpfern damit begonnen hatten, die Geschichte des Gebäudes zu rekonstruieren, legten sie 1972 diesen Zugang frei. Damals entstand die Idee, den „Keller der Qualen“ als Gedenkstätte des internationalen Widerstandes zu erhalten. Hier sollte nicht nur an den ehemaligen Folterkeller der Gestapo erinnert werden. Dass das Gebäude auch von italienischen faschistischen Organisationen im Wissen um die Ereignisse in den Folterkellern genutzt wurde, sollte ebenso in Erinnerung bleiben wie die vielen Opfer des deutschen Widerstandes gegen das NS-Regime, vor allem in den Reihen der Arbeiterbewegung.
Heute ist in der Casa dello Studente ein großes Studentenwohnheim untergebracht. Von dessen Mensa aus gelangt man in das Museo della Resistenza Europea.
Im Eingangsbereich hängt eine Kopie des Abschiedsbriefes, den Rudolf Seiffert kurz vor seiner Ermordung schrieb. Er wird hier im Museum des internationalen europäischen Widerstands stellvertretend für die deutschen Widerstandskämpfer geehrt: Rudolf Seiffert war Leiter einer illegalen Betriebsgruppe bei den Siemens & Halske-Werken in Berlin-Siemensstadt und Mitglied der Berliner Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation. Am 29. Januar 1945 wurde er in Brandenburg hingerichtet.
Zu besichtigen sind im Rahmen einer Führung die winzigen Zellen, in denen die Häftlinge untergebracht waren, der Gewölbekeller mit Erklärungstafeln zu den Geschehnissen im ehemaligen Folterkeller des Gestapogefängnisses und weitere Gedenktafeln für Rudolf Seiffert.
Für Führungen ist die Anmeldung beim Centro di documentazione Logos notwendig: [email protected]
Casa dello Studente, Corso Aldo Gastaldi, ab Metrostation Brignole Buslinien 16, 45 und 87.
Villa Migone
Nachdem auch in Genua die Partisanen und Teile der Bevölkerung dem Aufruf des CLN zur Einnahme der Städte folgten, begann am 23. April 1945 der Aufstand gegen die Besatzungsmacht und ihre faschistischen italienischen Helfer. Am Abend des 25. April 1945 ergaben sich die deutschen Truppen unter dem Kommando von Generalmajor Günther Meinhold den Partisanen. Er widersetzte sich damit der Weisung, Hafen und Altstadt in Schutt und Asche zu legen. Generalmajor Meinhold und Remo Scappini, der Präsident des CLN Liguria, unterzeichneten die Kapitulationserklärung in der Villa Migone (damals Sitz des Erzbischofs von Genua). Der CLN hatte die Behandlung der Kriegsgefangenen nach den Bestimmungen des Völkerrechts auch für diejenigen zugesichert, die Kriegsgreuel auf italienischem Boden verübt hatten. Genua gilt als die einzige Stadt Italiens, in der sich die deutschen Truppen direkt den Vertretern des Widerstands ergeben haben.
Die Villa Migone steht im Ortsteil San Fruttuoso, nahe der Piazza Terraalba. Vor dem Eingang zum Park der Villa Imperiale kurz links in die Via San Fruttuoso. Vor dem Aufgang zur Villa Migone (Hausnr. 36) befindet sich eine Gedenktafel zu den Ereignissen des 25. April 1945, direkt am Eingang der – nur nach Voranmeldung zugänglichen – Villa eine weitere. Ab Metrostation De Ferrari Buslinie 46 bis Piazza Terraalba.
Sacrario dei caduti della Resistenza
Unter der Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Ponte Monumentale befindet sich seit 1949 das Sacrario dei caduti della Resistenza: In den Bogennischen sind die Namen aller bekannten Opfer des ligurischen Befreiuungskampfes eingelassen.
Ponte Monumentale, Via XX Settembre, nahe Metrostation De Ferrari.
Deportation der Juden
Mitte der 1930er-Jahre lebten circa 2.500 Menschen jüdischen Glaubens in Genua (1938: 2.263). 1935 – nur 3 Jahre vor Erlass der Rassegesetze – ließ die jüdische Gemeinde die neue Synagoge in der Via Bertora errichten. Genua war auch Sitz der am 1. Dezember 1939 mit Zustimmung der italienischen Regierung gegründeten Hilfsorganisation Delegazione di Assistenza agli Emigrati Ebrei (Delegation für die Betreuung der jüdischen Emigrierten, DELASEM).
Am 3. November 1943 stürmten SS-Truppen die Synagoge und zwangen den Kustos (sie nahmen seine Kinder als Geiseln), die Gemeinde zu einer Versammlung zusammenzurufen. Die circa 50 eintreffenden Menschen wurden sofort verhaftet, anschließend nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Weitere 250 Menschen fielen den sich anschließenden Razzien zum Opfer, unter ihnen auch der Oberrabbiner von Genua, Riccardo Pacifici. Ein Gedenkstein vor der Synagoge erinnert an diese Ereignisse. Am 29. Januar 2012 wurde vor der Galleria Mazzini (nahe Metrostation De Ferrari), dem Ort seiner Verhaftung, ein „Stolperstein“ [de.wikipedia.org/wiki/Stolpersteine] für Riccardo Pacifici verlegt.
Synagoge und jüdische Gemeinde Genua, Via Bertora 6, 16122 Genova; Tel. +39 0108391513, E-Mail: [email protected], Metrostation De Ferrari, Bus 36.
Gedenken an Aldo Gastaldi
An vielen Orten in Ligurien wird die Erinnerung an Aldo Gastaldi (1921–1945) wachgehalten. Der junge Elektrotechniker war, bevor er eingezogen wurde, bei den Werft-und Rüstungsbetrieben Ansaldi – mit 30.000 Arbeitern größte Firma Liguriens – angestellt. Er schloss sich unmittelbar nach dem 8. September 1943 der Resistenza auf Seiten der Garibaldi-Brigaden (Partisanen-Brigaden) an. Unter dem Kampfnamen „Bisagno“ gehörte er zum Kern der ersten Partisanengruppe im Hinterland Genuas („Divisione Cichero“) und wurde – obwohl er als praktizierender Katholik versuchte, den Einfluss der kommunistischen Partei innerhalb der Truppen zurückzudrängen und damit auch Konflikte auslöste – bald darauf Vize-Kommandant der VI. operativen Zone des CLN Liguriens. Er starb einen Monat nach der Befreiuung Norditaliens durch einen Unfall.
In Genua wurde die Straße nach Aldo Gastaldi benannt, an der die Casa dello Studente steht.
Am Parco dell’Acquasola steht seine Büste in der Via XII Ottobre / Piazza Corvetto (nahe Metrostation De Ferrari).
Friedhof Staglieno
Auf dem sehr weitläufigen, parkähnlich mit Pantheon und vielen umlaufenden Bogengängen ausgestatteten und einem Skulpturenpark gleichenden Areal des Cimitero Monumentale di Staglieno stehen seit 1970 an der Piazzale Trento e Trieste zwei Gedenkstelen mit Flachreliefs aus Bronze: eine für aus politischen oder rassistischen Gründen in Vernichtungslagern ermordete, die andere für ermordete Militärinternierte und im Befreiungskampf gefallene Genueser.
In einem anderen, für Partisanen ausgewiesenen Sektor des Friedhofs befinden sich auch die Gräber einiger Opfer des Massakers am Turchino-Pass und Gedenktafeln für ausländische Teilnehmer des Resistenza.
Cimitero Monumentale di Staglieno, Viale Giovanni Battista Resasco 2. Der Friedhof ist täglich von 7.30–17 Uhr geöffnet. Ab Metrostation Brignole Buslinie 14, ab Metrostation Piazza Principe Buslinien 12, 14, 34 und 48.