Alfred Filbert (BArch)Karl Wilhelm Alfred Filbert, Bankkaufmann und Jurist, bis 1945 SS-Obersturmbannführer, wurde am 08. September 1905 in Darmstadt geboren, trat 1932 zuerst der SS, kurz darauf der NSDAP bei. Bereits 1935 war der promovierte Jurist in der Berliner Zentrale des Sicherheitsdienstes (SD) eingestellt worden und nach Beginn des Zweiten Weltkrieges zum stellvertretenden Chef des Amtes VI (SD-Ausland) des Reichssicherheitshauptamtes avanciert. Von Juni bis Oktober 1941 war er Chef des Einsatzkommandos 9 der Einsatzgruppe B in Südlitauen (u.a. Vilnius) und Weißrussland. In diesem Zeitraum war das Einsatzkommando 9 nach internen SS-Angaben für über 11.000 Exekutionen von Juden und Partisanen verantwortlich; neuere Studien weisen mindestens 18.000 Todesopfer nach (Kay 2016). Filbert wurde im Oktober 1941 nach Berlin zurück beordert und wegen des Vorwurfs finanzieller Unregelmäßigkeiten vorübergehend suspendiert. Seine Rehabilitierung und Wiederaufnahme im RSHA erfolgte 2 Jahre später, wo er bis 1945 in leitenden Funktionen tätig war.

Nach Kriegsende tauchte er unter falschem Namen unter und arbeitete als Filialleiter einer Bank. Er wurde 1959 enttarnt und 1962 vom Berliner Landgericht wegen gemeinschaftlichen Mordes an mindestens 6.800 Menschen zu lebenslanger Haft verurteilt. 1975 wurde er aus gesundheitlichen Gründen für haftunfähig erklärt. Er starb am 1. August 1990 in Berlin.

Filberts Bruder Otto, geboren am 10. Mai 1904, war im Gegensatz zu seinem Bruder ein Gegner der Nationalsozialisten. Er hatte an seinem Arbeitsplatz bei den Junker-Flugzeugwerken in Dessau sein Bedauern über das fehlgeschlagene Attentat auf Hitler durch Georg Elser am 8. November 1939 geäußert und wurde nach der Verhaftung durch die Gestapo Magdeburg wegen „Heimtücke“ gerichtlich zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Anschließend kam er als politischer Häftling in das KZ Buchenwald und wurde im November 1944 zusammen mit knapp fünfhundert zwangsrekrutierten KZ-Häftlingen an die Front in Ungarn abkommandiert. Er gilt als verschollen und wurde 1951 mit dem Datum 31. Dezember 1945 amtlich für tot erklärt. 

Alfred Filbert hatte sich nach dem Krieg wegen des Schicksals seines Bruders als Opfer dargestellt – gemeint war die zweijährige Suspendierung in seiner SS-Karriere. In einem Widerspruch gegen den Entzug der Doktorwürde der Universität Gießen schrieb er, Himmer habe für ihn „im Rahmen der Sippenhaft zunächst Beförderungssperre, Überwachung und 1941 Ausschaltung aus meinem Amt und Übernahme des Einsatzkommandos im Russlandfeldzug“ verfügt. Aufgrund der „besonders schwierige(n) Lage durch meinen Bruder“ habe er die Befehle ausführen müssen. Wegen der Aussage seines Bruders „musste ich 18 (sic!) Jahre sitzen. Ich habe meine Augen dabei verloren, verlorene Ehre, Nevenbelastung“ (Kay 2013).

Literatur/Medien
Gerlach, Christian: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941–1944, Hamburg 1999 (Regionalstudie zur Einsatzgruppe B); Kay, Alex J.: The Making of an SS Killer. The Life of Colonel Alfred Filbert 1905–1990, Cambridge 2016 (Opferzahlen S. 71–74); Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt/M. 2003 (dort falsche Namensnennung ‚Albert‘ Filbert, S. 150); Landgericht Berlin, Urteil vom 22.06.1962, in: Justiz und NS-Verbrechen, Bd. 18, Nr. 540, S. 601ff.; Krausnick, Helmut: Hitlers Einsatzgruppen. Die Truppe des Weltanschauungskrieges 1938–1942, Frankfurt/M. 1998; Wildt, Michael: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2002 (dort falsche Namensnennung ‚Albert‘ Filbert)

Zu Otto Filbert:
Kay, Alex J.: Ungleiche Brüder. Der SS-Massenmörder und der KZ-Häftling (= Einsicht 10, Bulletin des Fritz Bauer Instituts, 2013, S. 49–55), abrufbar unter: www.fritz-bauer-institut.de (Foto, Zitate S. 54 u. 55)

https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Filbert

Foto: BArch Berlin-Lichterfelde, VBS 283/6010010064, RuSHA-Akte Dr. Alfred Filbert