Bezirk Utena (L. Briedis)Die Stadt Utena, einst ein Dorf, das im 13. Jahrhundert zwischen zwei Seen entstand, wurde im Laufe der Jahrhunderte zum Zentrum für die benachbarten kleinen Städte und Dörfer. Jüdische Ansiedlungen datieren bis ins 16. Jahrhundert. Überregionale Bedeutung erlangte Utena ab 1835 mit dem Bau der Fernstraße von Warschau nach St. Petersburg und durch die in den 1890er Jahren errichtete Schmalspureisenbahn zwischen Panevėžys, Utena und Švenčionys. Damals lebten im gesamten Bezirk über 5.000 Juden, fast 5% der Gesamtbevölkerung. Alteingesessene jüdische Gemeinden befanden sich in Utena, Anykščiai, Molėtai, Užpaliai and Tauragnai.

Vor dem Ersten Weltkrieg wanderten viele Juden vor dem Hintergrund zunehmender Armut und antisemitischer Repressionen nach Südafrika, in die USA und nach Südamerika aus. Während der litauischen Unabhängigkeit (1918–1940) wurde Utena zur Bezirkshauptstadt. Während der deutschen Besatzung 1941 bis 1944 gehörte der Bezirk zum Gebietskommissariat Šiauliai unter der Verantwortung des Gebietskommissars Hans Gewecke.

Heute ist der Bezirk Utena einer der zehn Verwaltungsbezirke, die seit 1994 die oberste Stufe der Verwaltungseinteilung Litauens bilden. Der Bezirk ist mit ca. 137.000 Einwohnern (2016) und seinen wichtigsten Städten Anykščiai, Ignalina, Molėtai, Utena, Zarasai sowie Visaginas relativ dünn besiedelt. Er gewinnt jedoch mit mehr als Tausend Seen, mit Wäldern und dem Aukštaitija National Park immer mehr an touristischer Bedeutung.

Schon im Frühjahr 1941, noch vor dem deutschen Überfall im Juni, bildeten sich im Bezirk Utena im Untergrund antisowjetische und antisemitische Gruppen, die sich als „Bauern-Partisanen“ bezeichneten. Diese Gruppen erhielten mit den sowjetischen Deportationen Mitte Juni 1941 rasch Zulauf. Sie lieferten sich nach dem deutschen Einmarsch und der Bildung der provisorischen litauischen Regierung in Kaunas (23. Juni 1941) mit sowjetischen Einheiten bei deren Rückzug Gefechte und sie verfolgten konsequent versprengte Sowjet-Sympathisanten und einheimische Juden. Ein großer Teil dieser Aufständischen waren junge Litauer, oft Schüler und Studenten, von denen im Juli 1941 – somit nur wenige Wochen nach dem deutschen Einmarsch – bereits 484 als Partisanen registriert waren, die mit Zustimmung der deutschen Militärverwaltung Waffen trugen. Sie und die wenig später von der deutschen Besatzungsverwaltung eingesetzten litauischen Amtsträger waren als Kollaborateure der deutschen Besatzung an der einsetzenden Verfolgung und Ermordnung von Juden, Kommunisten und Unterstützern des vertriebenen Sowjetregimes aktiv beteiligt.

Die Federführung für die Anordnung der Morde lag im Bezirk wie im ganzen Raum um Šiauliai zunächst bei den Kommandanturen der deutschen Wehrmacht, auch bei der Ortskommandantur in der Bezirkshauptstadt Utena. Ab Anfang August 1941 übernahm das deutsche Gebietskommissariat Šiauliai die Verantwortung, regelmäßig in Kooperation mit den in Šiauliai und Kaunas stationierten Einsatzkommandos 2 und 3 der SS-Sicherheitspolizei. Am 10. September 1941 rühmte sich Gebietskommissar Hans Gewecke gegenüber dem Generalkommissar für Litauen, Adrian von Renteln, dass gemäß den ihm erteilten Anweisungen „fast alle Bezirke von Juden gereinigt worden seien“ und dass „die Judenfrage im Bezirk Šiauliai mit der nötigen Intensität nationalsozialistischer Strenge gelöst worden sei“ (Zitat nach Dieckmann 2011, S. 860). Gewecke bezog sich dabei auf auch audrücklich auf den Kreis Utena.

Gedenkorte im Bezirk Utena: 
Anykščiai
Molėtai
Utena
Užpaliai
Tauragnai
Vyzuonos

Literatur / Medien 
Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 419f.; Bd. 2, S. 860 (Zitat Gewecke); Bubnys, Arūnas: Holocaust in Lithuanian Province in 1941, Working Paper 2003, S. 62-68 (http://www.docscopic.pdf); Dieckmann, Christoph: Holocaust in the Lithuanian Provinces. Case Studies of Jurbarkas and Utena, in: Kosmala, Beate / Verbeeck, Georgi (Hg.): Facing the Catastrophe. Jews and Non-Jews in Europe during World War II, Oxford u. New York 2011, S. 73-96.

https://www.litauen.info/schlagwort/bezirk-utena 
https://en.wikipedia.org/wiki/Utena 
https://www.litauen.info/landkarte-litauen/bezirk-utena/ (Abb. Karte / Leidykla Briedis) 
https://www.yadvashem.org/killing_sites_Utena county