Rachel Margolis (C. Knapp)Rachel Margolis wurde am 28. Oktober 1921 in Vilnius geboren. Obwohl sie beim Einmarsch der Deutschen im Juni bei einer katholischen Familie untergebracht war, ging Rachel freiwillig in das im September 1942 eingerichtete Ghetto, wo sie sich der Widerstandsorganisation FPO anschloss. Als Mitarbeiterin in der von Herman Kruk geleiteten Ghetto-Bibliothek engagierte sie sich auch für die kulturellen Aktivitäten im Ghetto. Mit einer der letzten Gruppen verließ sie Anfang September 1943 kurz vor der endgültigen Liquidierung das Ghetto, flüchtete zu den Partisanen in den Rudniki-Wäldern und kämpfte in der von Kaplinski kommandierten jüdischen Einheit "Für den Sieg". Im Frühjahr 1944 sammelte ihre Einheit einige erschöpfte und traumatisierte jüdische Männer auf. Sie waren von der Massenexekutionsstätte in Paneriai geflohen, wo sie in einem so genannten „Enterdungskommando“ die Leiber von zehntausenden Ermordeten verbrennen mussten. Gemeinsam mit ihrer Einheit und ihrem späteren Ehemann Chaim Zaydelson zog sie im Juli 1944 in das befreite Vilnius ein. 


Nach der Befreiung studierte sie Biologie, promovierte, lehrte an der Universität Vilnius und wurde Leiterin der Geschichtsabteilung des damals neu gegründeten Jüdischen Museums. Sie schrieb die Aussagen der Überlebenden des "Enterdungskommandos" auf und archivierte sie im Jüdischen Museum, das auch die ausgegrabenen Notizen von Kazimierz Sakowicz erhielt. Nach dessen Auflösung 1949 gelangten die Dokumente erst 1989 in das wieder gegründete Jüdische Museum in Vilnius, an dessen Aufbau Rachel Margolis gemeinsam mit Rachel Kostanian wesentlich beteiligt war. Als Leiterin der Abteilung Geschichte entzifferte sie die auf Zetteln und Kalenderblättern festgehaltenen Notizen von Kazimierz Sakowicz und veröffentlichte das von ihr herausgegebene Tagebuch 1999 in einem polnischen Verlag.


Obwohl sie 1994 nach Israel emigrierte, reiste sie bis 2008 jedes Jahr für einige Monate nach Vilnius, um im Jüdischen Museum zu arbeiten und ihre Freunde wiederzusehen. Damals hatte die litauische Staatsanwaltschaft auf der Grundlage antisemitisch motivierter Zeitungsberichte – jüdische Partisanenmitglieder seien im Januar 1944 an der Zerstörung eines litauischen Dorfes und der Tötung litauischer Bewohner beteiligt gewesen – gegen vier auch international bekannte, ehemalige jüdische Widerstandsangehörige strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Zu ihnen gehörten Rachel Margolis und Yitzhak Arad in Israel und die in Vilnius lebende Fania Brancovksaja. Die Ermittlungen wurden formell nie eingestellt, aber aufgrund internationaler Proteste, die die Ermittlungen zu Recht als gezielt antisemitisch werteten, nicht fortgesetzt. Rachel Margolis kehrte seither nicht mehr nach Litauen zurück. Sie lebte bis zu ihrem Tod am 6. Juli 2015 in ihrer israelischen Heimatstadt Rechovot. In ihren Erinnerungen schildert sie ihre eigenen Erfahrungen im Ghetto von Vilnius und im Widerstand.

Literatur / Medien
Kostanian-Danzig, Rachel: Spiritual Resistance in the Vilna Ghetto, Vilnius 2002, S. 54ff.; Margolis, Rachel: Als Partisanin in Wilna. Erinnerungen an den jüdischen Widerstand in Litauen. Frankfurt/M. 2008; Schroeter, Gudrun: Worte aus einer zerstörten Welt. Das Ghetto in Wilna, St. Ingbert 2008, S. 288ff.
http://www.carla-knapp.com/film/de/rachel.php (Foto)
http://www.hagalil.com/2011/10/margolis/
https://en.wikipedia.org/wiki/Rachel_Margolis
http://www.independent.co.uk/rachel-margolis.html
http://www.jpost.com/Magazine/Features/Digging-up-the-future
https://www.youtube.com/watch?v=pcHHNBuuE9s
http://lizaruft.blogspot.de/ (Dokumentarfilm über den jüdischen Widerstand in Litauen von Christian Carlsen und Philipp Jansen, 2015)