Sonia Madeysker (GFH)Sonia Madeysker, geboren 1914 in Vilnius, Tochter des Lehrer-Ehepaars Hessel und Helena Madeysker, wurde bereits in jungen Jahren Mitglied einer kommunistischen Jugendgruppe. Wegen ihres politischen Engagements gegen die litauische Regierung verbrachte sie bereits in den 1930er Jahren mehrere Jahre in polnischen Gefängnissen, u.a. auch im Lukiškės-Gefängnis in Vilnius. Die Ankunft der Roten Armee 1939 in Vilnius rettete Sonia Madeysker, die zu sechs Jahren Haft verurteilt worden war, vor der Exekution durch polnische Polizisten.

Mit ihren kommunistischen Freunden gründete sie unmittelbar nach Einmarsch der Deutschen im Juni 1941 erneut eine Untergrundgruppe, in der sie für die Organisation von Jugendgruppen verantwortlich war. Mit ihrer Erfahrung im Untergrund übernahm sie wichtige Funktionen, druckte illegale Flugblätter, schmuggelte Waffen in das Ghetto, organisierte Fluchtwege aus dem Ghetto, besorgte Schutzwohnungen und Verstecke in der Stadt. Ihre kommunistische Gruppe schloss sich der Widerstandsorganisation FPO im Ghetto unter Führung von Yitzhak Witenberg an. Als „Arierin“ getarnt, lebte Sonia Madeysker jedoch außerhalb des Ghettos. Sie war nicht nur eine der wichtigsten Kontaktpersonen zwischen dem Untergrund im Ghetto und den illegal arbeitenden Kommunisten in der Stadt, sondern auch zwischen den Ghettos in Litauen und Polen. Gemeinsam mit ihrer Kampfgefährtin Cesia Rozenberg wurde sie beauftragt, direkten Kontakt zu Moskau herzustellen. Bei dieser Mission wurden beide Frauen zweimal verhaftet, zweimal konnten sie wieder entkommen, zweimal setzten sie ihre Reise fort. Schließlich wurden sie von der Gestapo aufgegriffen, aber nicht als Jüdinnen erkannt. Auf der eskortierten Fahrt nach Vilnius gelang ihnen zum dritten Mal die Flucht und die Rückkehr ins Ghetto.

Nach der Liquidierung des Ghettos im September 1943 blieb Sonia Madeysker in der Stadt, richtete Verstecke in den verbliebenen Lagern HKP und Kailis ein und organisierte die Fluchtwege zu den Partisanen. Auch die letzte Gruppe der FPO Mitglieder, die durch die Kanalisation entkommen konnten, wurde von Sonia, Vitka Kempner und ihren Helfern am Ausgang erwartet und in den Verstecken untergebracht, bevor sie in die Wälder aufbrachen. Auch weitere, der Liquidierung entkommene Menschen wurden von Sonia Madeysker auf diese Weise aus der Stadt gebracht – ihre Eltern konnte sie nicht retten, diese wurden 1942 in Paneriai ermordet. 

Im März 1944 war es der Gestapo gelungen, Sonia Madeyskers Wohnort ausfindig zu machen. Bei ihrer Festnahme tötete sie drei der Gestapo-Männer, es gelang ihr jedoch nicht, sich selbst zu töten. Schwerverletzt und trotz schwerster Folter im Lukiškės-Gefängnis schwieg sie bis zu ihrer Ermordung einige Tage vor der Befreiung durch die Rote Armee. Ein Buch über sie mit dem Titel: Sonye Madeysker, di Heldin fun Vilner Geto wurde vom National Yiddish Book Center 1992 (leider nur auf Jiddish) veröffentlicht.

Sonia Madeysker hatte drei Schwestern und einen Bruder. Die Spur ihrer Schwestern Deena und Cessia, lässt sich bis ins Ghetto Minsk verfolgen. Deena arbeitete als Krankenschwester in einem Minsker Militärkrankenhaus und schmuggelte Medikamente in das dortige Ghetto, Cessia hielt als Verbindungsfrau die Kontakte zwischen dem Ghetto und dem sowjetischen Widerstand in der Region. Rivka, ebenfalls Mitglied des Untergrund von Vilnius, engagierte sich im Ghetto von Białystok, diente als Kurierin zu den Partisanen und wurde nach Denunziation im Dezemer 1943 zu Tode gefoltert. Keiner der Geschwister hat den Holocaust überlebt.

Literatur / Medien
Ainsztein, Reuben: Jüdischer Widerstand im deutschbesetzten Osteuropa während des Zweiten Weltkrieges, Oldenburg 1993, S. 242ff.; Guzenberg, Irina: Vilnius. Sites of Jewish Memory. A Concise Guide, Vilnius 2013, S. 72f; Kostanian-Danzig, Rachel: Spiritual Resistance in the Vilna Ghetto, Vilnius 2002, S. 23f.; Margolis, Rachel: Als Partisanin in Wilna. Erinnerungen an den jüdischen Widerstand in Litauen, Frankfurt/M. 2008, S. 124ff.; Rolnikaite, Mascha: Ich muss erzählen: Mein Tagebuch 1941–1945, Hamburg 2002, S. 123; Strobel, Ingrid: „Sag nie, du gehst den letzten Weg“. Frauen im bewaffneten Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung, Frankfurt/.M. 1989, S. 233–246; Skroblies, Hanni: Sonia Madeysker, in: Hervé, Florence (Hg.): Mit Mut und List. Europäische Frauen im Widerstand gegen Faschismus und Krieg, Köln 2020, S. 252-253
www.geni.com/people/Sonia-hero-partisan-Madesker/6000000032837448724 
www.eilatgordinlevitan.com/kurenets/k_pages/madeisker_madesker.html 
www.juden-in-europa.de/baltikum/vilna/biographien.htm
Über die wichtige Funktion der weiblichen Kuriere im jüdischen Widerstand: 
jwa.org/encyclopedia/article/kashariyot-couriers-in-jewish-resistance-during-holocaust
Foto: Ghetto Fighers House, Photo Archive, Registry No. 01635p, Catalog No. 6164