Während der Jahre 1943/44 wurden im Verlauf des deutschen Rückzugs in mehreren Wellen hunderttausende sowjetische Zivilisten von der deutschen Wehrmacht in Richtung Westen deportiert. Dies erfolgte als Bestandteil der Maßnahmen der „verbrannten Erde“, die der vordringenden Roten Armee materiell keinerlei Ressourcen und keinerlei menschliche Arbeitskraft zurücklassen sollten. Im ehemaligen Kriegsgefangenlager Alytus, von wo aus tausende zu Zwangsarbeit in andere Gebiete, auch nach Deutschland, weitertransportiert wurden, gelangten allein im Sommer 1943 zwölf Transporte mit rund 14.000 dieser Zwangsevakuierten an, wo sie zum Teil im Lager, zum Teil in nicht entladenen Transportzügen auf dem Bahnhofsgelände unter barbarischen Bedingungen dahin vegetierten. Ende 1943 brachen nach Berichten der Besatzungsbehörden Krankheitswellen aus, gleichwohl kamen bis zur Jahreswende 1943/44 noch zehntausende Deportierte hinzu. Ende 1943 betrug die Zahl der nach Litauen geschafften Zwangsevakuierten – Kinder und Jugendliche eingeschlossen – über 200.000. Sie wurden nach den Kategorien „reichseinsatzfähig“, „ortseinsatzfähig“ und „nicht einsatzfähig“ sortiert. Dokumente belegen, dass von den zwangsevakuierten Menschen aus der Sowjetunion, Jugendliche ab 12 Jahren eingeschlossen, allein aus Litauen über 45.000 in das Gebiet des Deutschen Reiches zur Zwangsarbeit geschafft wurden. Im Lager Alytus, das von den Ortsansässigen „Todeslager“ genannt wurde, befanden sich beim Abzug der Deutschen im Juli 1944 noch über 5.000 Insassen. Im Wald Vidzgiris bei Alytus sind ungefähr 20.000 verhungerte, ermordete, an Krankheiten zu Grunde gegangene Zwangsevakuierte verscharrt.
Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 1382-1391; Ders.: Alytus 1941–1944: Massenmorde in einer Kleinstadt. Ein Fallbeispiel deutscher Besatzungspolitik in Litauen, in: Lithuanian Foreign Policy Review 2001/8, S. 75-104 (abrufbar unter (http://lfpr.lt/wp-content/uploads/2015/07/LFPR-8-Dieckmann.pdf, S. 18 "Die Ermordung der sowjetischen Zwangsevakuierten in Alytus").