Region Lothringen (Lorraine), Departement Vosges
Gedenkorte: Belval, Col du Hantz, Étival-Clairefontaine, Hurbache, La Petite-Raon, Le Puid, Le Saulcy, Le Vermont, Moussey, Moyenmoutier, Sain-Jean-d'Ormont, Senones, Vieux-Moulin.
Das Tal und die Orte
Der Bach Rabodeau entspringt im Donon-Massiv, fließt westlich des Vogesenkamms und mündet nach 26 km bei Moyenmoutier in die Meurthe, einen Nebenfluss der Mosel. Das Tal ist seit langem besiedelt (Klöster im 7. Jahrhundert), im 19. und 20. Jahrhundert Standort bedeutender Textil- und heute noch Holzindustrie. (Le Rabodeau heißt auch ein Ortsteil von Moyenmoutier).
Zu erreichen von Straßburg über Schirmeck, Col du Hantz ca. 75 km (A 35, 350, D 1420 →Saint-Dié bis Sainte-Blaise, dann D 424 →Senones); von Saint-Dié 56 km (N 59 →Nancy bis Ausfahrt Moyenmoutier/D 424 →Senones); von Nancy 27 km (N 59 →Saint-Dié bis Ausfahrt Moyenmoutier/D 424).
Die Ereignisse
„Tal der tausend Deportierten“ oder „Tal der Tränen“.
Nach der Befreiung Ende November 1944 wurde die Gegend „Tal der tausend Deportierten“, „Tal der Tränen“ (de Gaulle) oder „Tal der Witwen“ genannt. Das war das Ergebnis eines grausamen Terrorregimes, mit dem Wehrmacht und Gestapo im Rahmen der „Aktion Waldfest“ die Menschen in den Dörfern und Weilern am Rabodeau und seinen Nebentälern zwischen August und November 1944 überzogen hatten. Ziele dieser Operation waren, eine Verteidigungslinie vor den Befestigungen des Vogesenkamms aufzubauen, „mit allen Mitteln“ zu halten und den Widerstand auszumerzen.
Schreckensbilanz:
- 943 Deportierte in die KZ, 661 kamen nicht zurück
- über 1.000 zur Zwangsarbeit Verschleppte, meist in deutschen (Rüstungs-)Betrieben
- 64 Erschossene, darunter 39 britische Fallschirmjäger
- 500 Familien auseinandergerissen; 750 Waisen
- zahllose Häuser, Gehöfte geplündert
- Gebäude und ganze Dörfer angezündet
Widerstand und Repression
In dem bergigen und waldreichen Gebiet am Donon-Massiv wurden tausende Menschen von Fluchthelfern aus dem annektierten Elsass nach Frankreich gebracht: u.a.geflohene Kriegsgefangene, junge Elsässer, die den Reichsarbeitsdienst und den Wehrdienst in der deutschen Wehrmacht ablehnten, Oppositionelle (vgl. Moussey, Raon-sur-Plaine, Salm). 1943 formierte sich der Maquis der Groupe Mobile Alsace (GMA)-Vosges. Nach der alliierten Landung in der Normandie sollten die bis zu 1.400 Maquisards u.a. den deutschen Rückzug behindern und die Alliierten bei der Überquerung der Vogesen unterstützen. Sie bekamen Hilfe von britischen Spezialkräften. Eine Runde aus hohen Wehrmachts- und SS-Vertretern beschloss in Schirmeck, in diesem Gebiet ein Exempel zu statuieren.
Deportationen, Plünderungen, Brandschatzung
Die Deutschen suchten zunächst gezielt nach Résistance-Mitgliedern. „Um die Bevölkerung zu domestizieren“ und „die besorgniserregende Bande von Terroristen auszumerzen“, griffen sie bald zu einer radikalen Lösung: Massendeportationen, Plünderungen, Zerstörungen und schließlich der Praxis der „verbrannten Erde“. Ausführende waren arbeitsteilig Wehrmacht und Gestapo, begleitet von einer Anzahl frz. Milice und Kollaborateuren.
(a) Im August 1944 wurden bei einer Suche nach Maquisards 88 Personen in die KZ deportiert, eine Anzahl wurde im KZ Natzweiler-Struthof in erschossen, 62 kamen nicht zurück.
(b) Am 24. September wurden zeitgleich sechs Dörfer des oberen Tals von Wehrmacht und Gestapo umzingelt, die Bevölkerung auf den Dorfplatz getrieben, die „arbeitsfähigen“ Jugendlichen und Männer aussortiert und über den Col du Hantz und das SS-Lager Schirmeck (Elsass) in das KZ Dachau deportiert. Von 424 Menschen sind 362 in den KZ gestorben. Während der Wartezeit wurden Häuser und Höfe geplündert, einige angezündet.
(c) Am 4./5. Oktober 1944 wurde die Bevölkerung von Senones und Vieux-Moulin in dem ehemaligen Kloster eingesperrt, verhört und am nächsten Morgen 392 Jugendliche und Männer in das KZ Dachau deportiert, 246 von ihnen kamen nicht zurück.
(d) Am 8. November 1944 erfuhr das verbrecherische Vorgehen durch die zeitgleichen Angriffe auf über 70 Dörfer der Vogesen und benachbarter Departements eine nochmalige Steigerung: Deportation von nahezu 8.000 Menschen in süddeutsche Städte zur Zwangsarbeit, Evakuierung der Bevölkerung, Plünderung und Zerstörung der Gemeinden (vgl. Aktion Waldfest). Im Rabodeau-Tal waren u.a. Hurbache (42) und Moyenmoutier (373 Verschleppte, Plünderung, Zerstörung) betroffen; die 625 Männer von Senones wurden auf ihrem Marsch in die Zwangsarbeit von frz. Truppen befreit.
(e) Von den 102 britischen Spezialkräften der SAS-Operation Loyton (s. hier) wurden 39 nach ihrer Gefangennahme von den Deutschen in den Lagern Schirmeck und Natzweiler-Struthof erschossen bzw. in den Wäldern umgebracht und verscharrt (vgl. auch Kommandobefehl).
Rechtliche Verfolgung
Nur einzelne Verantwortliche wurden gefasst und zur Rechenschaft gezogen. Im Wuppertaler Vogesen-Prozess vom August 1946 wurden wegen der Verbrechen im Rahmen der Aktion Waldfest und der Erschießung der britischen SAS-Kräfte u.a. Erich Isselhorst, der SS/SD-Befehlshaber im annektierten Elsass, zum Tode verurteilt. Viele Hauptpersonen der Menschenjagd, Deportationen und Zerstörungen entkamen: z. B. der Wehrmachtsbefehlshaber General Hermann Balck und Hans-Dietrich Ernst, der ehem. SS/Gestapo-Kommandeur von Angers und Chef eines Einsatzkommandos im Rabodeau-Tal (beide wurden von französischen Gerichten in Anwesenheit verurteilt: Balck zu 20 Jahren Haft, Ernst zum Tode; wegen der „Aktion Waldfest“ blieben beide von deutschen Gericht unbehelligt).
Gedenken
Wer die Dörfer und Weiler des Rabodeau-Tals bereist, stößt überall auf Denkmäler, Stelen, Tafeln für Fluchthelfer/innen und Widerständler, mit den Namen der Deportierten (z.B. in La Petite-Raon, Moussey, Senones), Gräber ermordeter britischer Fallschirmjäger (in Moussey) sowie Gedenksteine und -tafeln, die an Einzelschicksale erinnern. An den Jahrestagen der Erschießungen, Razzien, Deportationen und Plünderungen finden Gedenkzeremonien statt, einige in Gegenwart britischer Veteranen. Die Web-Seite www.resistance-deportation.org beschäftigt sich speziell mit den Vorgängen im Rabodeau-Tal; der Autor Gérard Villemin ist der Sohn eines im KZ Dachau umgekommenen Deportierten.
Literatur/Medien
Association des déportés de Mannheim, Saint-Dié – KZ-Gedenkstätte Mannheim-Sandhofen (Hg.): Les hommes de Saint-Dié – Die Männer von Saint-Dié, Herbolzheim 2000, S. 15ff., 37ff.
www.resistance-deportation.org (Web-Weite 'Widerstand und Deportation im Rabodeau-Tal')
www.resistance-deportation.org/spip.php?article11
www.resistance-deportation.org/spip.php?article32
www.resistance-deportation.org/IMG/pdf/Deportation_Brochure_Resume_Ajouts_6_avril_12_MAJ_2.pdf
www.fndirp.asso.fr/la%20vallee%20du%20Rabodeau.htm
http://fr.wikipedia.org/wiki/Rabodeau (zum Tal)