Ende 1941/42 schlossen sich die verschiedenen Gruppen, außer den zionistischen, zur „Allgemeyne Kampf-Organizatsie“ (AKO) zusammen und wählten Chaim Yelin zu ihrem Anführer, Dimitrius Gelpernas zu seinem Stellvertreter. Dem von allen geachteten Yelin gelang die Zusammenarbeit mit den zionistischen Gruppen innerhab und dem kommunistischen Untergrund außerhalb des Ghettos, mit der Ghetto-Polizei und dem zionistischen Ältestenrat unter Vorsitz von Elchanan Elkes. Zum Programm der AKO gehörten vor allem die Vorbereitung zum bewaffnete Kampf mit den sowjetischen Partisanen in den Wäldern und die Durchführung von Sabotageaktionen gegen die Deutschen. Die AKO hatte ca. 180 Mitglieder und war in Zellen organisiert, die jeweils zwei Abteilungen, einer Kampf- und einer Versorgungsabteilung, zugeordnet waren. Ab Februar 1942 verübte diese Gruppe zahlreiche Sabotageakte, unterstützt vom jüdischen Arbeitsamt, den Ghetto-Werkstätten und der Ghetto-Polizei, die ermöglichten, dass die AKO-Mitglieder auf keiner Deportationsliste standen und an Arbeitsstellen in Reichweite von Waffen und Munition eingesetzt wurden. Alex Faitelson, damaliges Mitglied der AKO, beschreibt diese gefährliche Arbeit, für die er im V. Fort eingesetzt war; dort befand sich das Waffenarsenal der von der Roten Armee erbeuteten Waffen.
Im Juli 1942 wurden schließlich auch die zionistischen Gruppen und der Ältestenrat von der Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes überzeugt. Durch die Berichte von Irena Adamowicz, einer polnisch-jüdischen Kurierin, erfuhren sie von den Verbrechen der Deutschen und der Organisation von Widerstandsgruppen im besetzten Polen und in Vilnius. Obwohl es im Unterschied zum Ghetto von Vilnius zwischen den Zionisten und Kommunisten zu keinem Bündnis kam, entstand doch spätestens ab Frühjahr 1943 eine Annäherung bei der Organisation und Durchführung des Widerstands, dem schließlich ca. 500 Mitglieder der verschiedenen Gruppen im Ghetto angehörten. Nach wie vor lag die Priorität der zionistischen Führung jedoch auf dem Ausbau von Verstecken innerhalb des Ghettos.
Von großer Bedeutung für die AKO war die Kontaktaufnahme Gesia Glezers im September 1943. Als Vertreterin des Stabs der litauischen Partisanenbewegung übernahm sie gemeinsam mit Chaim Yelin die Schulung des Widerstands und stellte die Kontakte zur FPO in Vilnius her. Mit dem von ihr organisierten Treffen zwischen Chaim Yelin und Henrikas Zimanas, dem Kommandeur der sowjetischen Partisanen in den Rudniki Wäldern, eröffnete sich zum ersten Mal eine realistische Perspektive für den Partisanenkampf, denn seit 1941/42 waren alle Versuche gescheitert, von Kaunas aus Partisanenbasen zu etablieren. Die Wälder um Kaunas boten zu wenig Schutz, auch sowjetische Widerstandsgruppen in der Region wurden zerschlagen, oft schon bevor die jüdischen Kämpfer diese überhaupt erreichten. Glezers – vom sowjetischen Kommandostab überbrachter Auftrag – in den 160km entfernten Augustowo Wäldern im Dreiländereck Litauen, Deutschland, Polen eine Partisanenbasis zu errichten, schlug mit großen Verlusten ebenfalls fehl. Erst nach diesem Scheitern erklärte sich Zimanas bereit, Partisanen aus Kaunas in den südlich von Vilnius gelegenen Rudniki Wäldern aufzunehmen. Trotz der zunehmenden Schwierigkeiten und der strengeren Kontrolle, die sich mit der Umwandlung des Ghettos in ein der SS unterstelltes KZ ergaben, verließ die erste Gruppe am 22. November 1943 das Ghetto, weitere folgten. Neben der Flucht zu Fuß in das 150km entfernt liegende Waldgebiet wurden auch LKWs besorgt, die die Strecke zurücklegten. Auf diese Weise gelangten dank der Zusammenarbeit der Untergrundgruppen, des Ältestenrats, des jüdischen Arbeitsamtes und der Ghetto-Polizei bis zum April 1944 zehn Gruppen von Ghetto-Kämpfern in die Rudniki Wälder. Die dort gegründete Brigade „Kovno“ bestand aus den Einheiten „Tod den Besatzern“, „Vladas Baronas“ und „Vorwärts“.
Ab Ende 1943/44 waren auch in den Außenlagern des Ghettos verschiedene Untergrundgruppen entstanden, denen es gelungen war, Kontakte zu sowjetischen Partisanen aufzunehmen. Mittlerweile waren im Gebiet Kazlų Rūda, das nur ca. 30km von Kaunas entfernt war, Fallschirmspringer gelandet, die zusammen mit sowjetischen Kriegsgefangenen, Litauern und aus dem Ghetto und den Arbeits- und Torflagern geflohenen Juden eine Partisanenbasis gegründet hatten.
Nach der Zerschlagung des Ältestenrats, der Ermordung und Entmachtung der Ghetto-Polizei durch die SS und nach dem Tod Chaim Yelins am 6. April 1944 gab es keine Möglichkeit mehr, größere Gruppen aus dem Ghetto zu schleusen. Nur Einzelnen gelang noch die Flucht. Zahlreiche Widerstandskämpfer und -kämpferinnen starben in den Flammen und Trümmern bei der Vernichtung des Ghettos im Juli 1944. Doch trotz aller Rückschläge und vergeblicher Versuche gelangten insgesamt über 300 jüdische Partisanen und Partisaninnen aus dem Ghetto Kaunas in die Wälder und kämpften in verlustreichen Gefechten bis zur Befreiung am 1. August 1944.
Literatur / Medien
Atamuk, Solomon: Juden in Litauen. Ein geschichtlicher Überblick vom 14. bis 20. Jahrhundert, hrsg. von Erhard Roy Wiehn, Konstanz 2000, S. 181ff, 183ff; Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 1220-1244, 1464f.; Enzyklopädie des Holocaust, hsg. von Jäckel / Longerich / Schoeps, 1995, Bd. 2, S. 806f.; Faitelson, Alex: Im jüdischen Widerstand, Zürich 1998 (hier S. 94, 102ff.); Jossade, Jokubas: Die Kämpfer im Ghetto von Kaunas, in: Grossmann / Ehrenburg: Das Schwarzbuch, 1994, S. 605-618; Miron, Guy / Shulhani, Shlomit (Hg.): Die Yad Vashem Enzyklopädie der Ghettos während des Holocaust, Göttingen 2014, S. 290ff.
http://www.holocaustresearchproject.org (H.E.A.R.T / Foto AKO Führung)
https://www.ushmm.org/resistance-in-the-kovno-ghetto
https://www.fold3.kovno_ghetto_partisans
http://holocaustmusic.ort.org/resistance-and-exile/partisans
http://www.eilatgordinlevitan.com/kovno/kovno_pages/kovno_partisans.html (Biographien)
http://ourfamilystory.net/Dovlevin.html (Dov Levin: With a Rifle in My Hand ...)
Fotos
USHMM / George Kadish, Photograph 81109 ("... Jews in the Kovno ghetto started to build and prepare hide outs, bunkers, malinas for storage of food, medicine, guns, etc.")
USHMM / George Kadish, Photograph 70796 ("Group portrait of a Jewish partisan unit operating in the Rudniki forests. Many of its members have been involved in resistance activities in the Kovno ghetto.")