Samuel Bak, am 12. August 1933 in Vilnius geboren, musste mit den Eltern Jonas und Mitzia in das von den Deutschen im September 1941 errichtete Ghetto von Vilnius ziehen. Während sein Vater in ein Arbeitslager deportiert wurde, konnten Mutter und Sohn aus dem Ghetto fliehen und von Mitzias Tante, Janina Rushkevich, eine zum Christentum konvertierte Jüdin, im Benediktinerkloser der Stadt versteckt werden. Als die SS das Kloster besetzte, flohen Mutter und Sohn zurück in das Ghetto.
Mit seinem Talent zum Zeichnen und Malen erregte Samuel Aufsehen und wurde von den Künstlern und Schriftstellern im Ghetto wie Abraham Sutzkever und Shmerke Kaczerginski gefördert. Die Zeichnungen des damals neunjährigen Samuel Bak wurden zur Hauptattraktion einer Kunstausstellung, die am 28. März 1953 im Ghetto-Theater eröffnet wurde. Bei der Liquidierung des Ghettos am 23. September 1943 – als Karl Plagge die Familien der HKP-Arbeiter aus dem Ghetto holen ließ – gelangte Samuel mit seiner Mutter in das Lager, das von Plagge, dem Leiter des Heereskraftfahrparks (HKP) kurz zuvor eingerichtet worden war. Sein Vater, von Beruf Zahntechniker, arbeitete bereits im Reparaturbetrieb als Schweißer, später im HKP-Lager als Dentist und Assistent des Lagerarztes, seine Mutter bekam dort Arbeit als Näherin. Unter den wenigen Habseligkeiten, die der Junge in der Eile einpacken konnte, war das wertvolle Protokollbuch der Jüdischen Gemeinde, der Pinkas, das Abraham Sutzkever aus den Trümmern der großen Synagoge gerettet und ihm anvertraut hatte.
Die Kinderaktion vom 27. März 1944 überlebte Samuel versteckt unter einem Bett in einem der Wohnquartiere des Lagers, während seine Mutter aus dem Lager fliehen konnte. Einige Tage später wurde Samuel von seinem Vater in einem Sack voller Sägespäne aus dem Lager geschmuggelt und von einer Bekannten in die Wohnung der Tante Janina gebracht, wo sich Mutter und Sohn zunächst verstecken konnten. Janina Rushkevich brachte die beiden wieder in das Benediktinerkloster, das inzwischen als Hauptquartier des Rosenberg-Stabs (Litauen) zu einem gefährlichen Ort geworden war. Die Nonnen waren deportiert, aber Schwester Marija Mikulska, die sich des Jungen bereits bei seinem ersten Aufenthalt angenommen hatte, war im Kloster als Putzfrau eingesetzt. Dank ihrer Hilfe und der Hilfe von Pater Stakauskas und Vladas Žemaitis überlebten Samuel und seine Mutter zusammen mit einigen Anderen elf Monate bis zur Befreiung in einem Versteck hinter Bergen von Büchern und alten Folianten. Kurz zuvor wurde Samuels Vater Jonas zusammen mit weiteren Zwangsarbeitern von der SS in Paneriai erschossen.
Nach der Befreiung und einer Odyssee durch Polen und Deutschland lebte Samuel mit seiner Mutter und seinem Stiefvater, Nathan Markovsky aus Kaunas, einem Überlebenden des KZ-Dachau, im DP-Lager Landsberg. Hier entstanden seine frühen Werke. 1948 wanderte die Familie nach Israel aus: eine – wie sich Samuel erinnert – der vielen typischen Familien von Überlebenden mit den traumatischen Erinnerungen an ihre Toten. Samuel Bak verarbeitete dieses Trauma mit der obsessiven Leidenschaft für seine Kunst. Heute ist er ein berühmter Künstler, seine Bilder hängen in zahlreichen Museen und Galerien in den USA und Europa. Samuel Bak bezeichnet sich selbst als „ewigen“ Wanderer, überall und nirgends zu Hause. Er lebte viele Jahre in Tel Aviv, in Paris, wo er 1956 an der Ecole Nationale Supérieure Des Beaux-Arts studiert hatte, in Rom, New York und Lausanne – 1993 ließ er sich endgültig in den USA nieder und lebt heute mit seiner Frau Josée in der Nähe von Boston. Er nennt Karl Plagge, den HKP-Leiter, eines seiner „Überlebenswunder“.
Samuel Bak hat nach vielen Jahrzehnten auch den verloren geglaubten Pinkas wiedergefunden: er wurde von Shmerge Kaczerginski bei der Befreiung von Vilnius in den Trümmern des Ghettos entdeckt und in das bereits 1944 errichtete Jüdische Museum gebracht, das die sowjetischen Behörden 1949 wieder auflösten. In den 1990er Jahren wurde das ehemalige Sowjetische Revolutionsmuseum aufgelöst, in dessen Bestände der Pinkas geraten war; seither wird er im Litauischen Nationalmuseum aufbewahrt. Bei seinem ersten Besuch in Vilnius nach 56 Jahren sah Samuel Bak den Pinkas mit seinen eigenen, auf die leeren Seiten gezeichneten Skizzen aus dem Ghetto wieder.
Literatur / Medien
Bak, Samuel: Painted in Words – A Memoir, Boston 2001; in der deutschen Übersetzung: In Worte gemalt. Bildnis einer verlorenen Zeit (übersetzt von Andreas Nohl), Weinheim u. Basel 2007 (Foto mit A. Sutzkever o.S.); Ders.: Between Worlds. Paintings and Drawings 1946 to 2001, Boston 2002; Kostanian-Danzig, Rachel: Spiritual Resistance in the Vilna Ghetto, Vilnius 2002, S. 69–71; Langer, Lawrence L. / Bak, Samuel: Return to Vilna in the Art of Samuel Bak, Boston 2007
Hier erzählt Bak über seine Kindheit und gibt Einblicke in seine Werke (2012):
https://www.facinghistory.org/resource-library/video/illuminations-art-samuel-bak
http://www.puckergallery.com/artists/bak_index/bak_exhibit.html (Foto)
http://www.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/bak/biography.asp
https://www.facinghistory.org/illuminations-art-samuel-bak/about-samuel-bak
http://jhom.com/arts/bak/index.htm
Foto S. Bak: Pucker Gallery, Boston Massachusetts