Region Friaul-Julisch Venetien / Provinz Triest
Die Stadt
Triest (slowenisch Tŕst) mit seinen ca. 205.000 Einwohner/innen (2016) ist seit 1962 die Hauptstadt der Provinz Triest sowie der autonomen Region Friaul-Julisch Venetien, gehört aber erst seit 1975 definitiv zu Italien, als mit dem Vertrag von Osimo die Grenzziehung zum Nachbarland Jugoslawien offiziell fixiert wurde.
Von 1382 bis 1918 gehörte die Hafenstadt Triest zu Österreich-Ungarn, war bedeutender Adria-Zugang der Habsburgermonarchie. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stadt durch den Friedensvertrag von St. Germain - wie auch die Halbinsel Istrien, das Friaul und die heutige Region Trentino-Südtirol - Italien zugeschlagen.
Die Verbitterung über nicht erfüllte Gebietsansprüche (Dalmatien und die großteils von Italienern bewohnte Hafenstadt Fiume (Rijeka) fielen an das neugegründete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) ließen die faschistische Bewegung Mussolinis gerade im neuen Grenzgebiet erstarken: Am 13. Juli 1920 wurde der Narodni Dom, das Volkshaus und Kulturzentrum der slowenischen Bevölkerung Triests, von einer faschistischen Schlägertruppe völlig zerstört. Die Auswirkungen dieses Anschlags, der fast die gesamte Infrastruktur (Tagungsräume, Theatersaal, Spar- und Darlehnskasse, Halle des Turnerbundes „Sokol" etc.) der slowenischen Minderheit zerstörte, waren über Triest hinaus für die slowenischen Minderheiten auch im Hinterland, im Osten des Friaul und in Istrien verheerend.
Mit Beginn der faschistischen Herrschaft 1922 betrieb Mussolini eine rigide Zwangsitalienisierung, die slowenische Organisationen in den Untergrund trieb und zur Gründung erster Widerstandsgruppen führte.
Nachdem sich das faschistische Italien - mit Deutschland durch die „Achse Berlin-Rom“ und den sogenannten „Stahlpakt" verbunden - am deutschen Überfall auf Jugoslawien (6. - 17. April 1941) beteiligt und auch den Süden und Westen Sloweniens bis einschließlich Ljubljana besetzt hatte, verstärkten sich die Widerstandsaktivitäten.
Die Ereignisse
Wie die gesamte heutige Region Friaul-Julisch Venetien gehörte Triest seit Beginn der deutschen Besatzung nach Bekanntwerden der italienischen Kapitulation von September 1943 bis April 1945 zur für eine spätere Angliederung an das „Großdeutsche Reich“ vorgesehenen Operationszone Adriatisches Küstenland. Das militärische Kommando über diese Zone lag bei General Ludwig Kübler, für die zivile Verwaltung war Friedrich Rainer und für die polizeiliche Gewalt Odilo Globocnik zuständig. Auf Globocniks Veranlassung wurde in einem Vorort von Triest die Risiera di San Sabba, ursprünglich eine Reismühle, zum Konzentrationslager umgewandelt. Es diente als Gefängnis für politische Häftlinge, für gefangene Partisanen, Mitglieder der GAP und des CLN, sowie als Sammellager für Juden vor ihrer Deportation in die Vernichtungslager.
Als Sitz des „Obersten Kommissars“ der Operationszone, Friedrich Rainer, diente der heutige Justizpalast. Der Verwaltungssitz der Operationszone war im Palazzo Rittmeyer untergebracht mit Büros auch für die Wehrmacht.
Das Gestapo-Hauptquartier mit Gefängnis und Folterkammern im Keller, aus denen die Schreie der Folteropfer - wie Augenzeugen berichteten - bis auf die Straße zu hören waren, wurde iin einem Gebäude an der Piazza Oberdan installiert. Weitere „Verhör"-Zentren waren über das Stadtgebiet verteilt, befanden sich u.a. mit der berüchtigten Aufsichtsbehörde der öffentlichen Sicherheit (Ispettorato Speciale di Pubblica Sicurezza) in der Via Cologna und in der Via Bellosguardo, wo die „Villa Triste" von Triest stand.
Triest war auch Sitz des „Sondergerichtes für die öffentliche Sicherheit" (Tribunale speciale per la sicurezza pubblica, ein von Friedrich Rainer eingesetztes Gericht), das Todesurteile über Mitglieder des Widerstands als „Vergeltungsmaßnahmen" fällte, die an unterschiedlichen Orten der Operationszone (u.a. in Gemona del Friuli, Cividale del Friuli, Udine) zur Abschreckung exekutiert wurden.
Für nach Sabotage-Anschlägen im Gemeindebereich von Triest angeordnete „Vergeltungsmaßnahmen" wählten die Besatzungsorgane als Opfer meist Geiselhäftlinge aus dem Triestiner Gefängnis Coroneo aus: So wurden nach einem von Partisanen verübten Anschlag auf das auch von deutschen Soldaten besuchten Kino von Opicina, einem zu Triest gehörenden Ort auf dem Karst, am 3. April 1944 71 Coroneo-Geiselhäftlinge an der Außenmauer des Poligono di Tiro in Opicina exekutiert. Auch die 10 Männer, die am 29. Mai 1944 in Prosecco, einem ebenfalls zu Triest gehörenden Ort, öffentlich erhängt wurden, waren Geiselhäftlinge aus dem Coroneo-Gefängnis.
Aber auch die Innenstadt von Triest wurde zum Schauplatz grausamster Abschreckungsverbrechen:
- Nachdem am 22. April 1944 im Palazzo Rittmeyer in der Via Ghega eine von zwei Partisanen der Slowenischen Befeiungsbewegung „Fronte di Liberazione Sloveno“ gelegte Bombe explodierte und dabei fünf Soldaten umkamen, wurden noch in der selben Nacht 51 Geiselhäftlinge - Italiener, Slowenen, Kroaten - aus den Gefängnissen Coroneo und dei Gesuiti geholt und in die Via Ghega gebracht. Dort wurden sie im Treppenhaus und an den Fenstern erhängt und zwei Tage zur Abschreckung zur Schau gestellt. Unter den Toten waren auch Frauen und Jugendliche.
- Als am Abend des 27. März 1945 eine GAP-Gruppe einen Anschlag auf eine Garage der Wehrmacht in der Via Massimo d'Azeglio, bei dem es keine Opfer gab, verübte, nahm die SS vier Männer zwischen 17 und 21 Jahren fest. Sie wurden brutal gefoltert und am 28. März öffentlich vor der Garage aufgehängt.
Die Jüdische Gemeinde von Triest
Die Triestiner Juden waren dank der offenen Einwanderungspolitik der Habsburger Monarchie seit Jahrhunderten in die städtische Gesellschaft integriert. In Triest lebten vor dem Zweiten Weltkrieg ca. 6.000 Juden. Die Jüdische Gemeinde galt als eine der größten und reichsten Italiens und besaß eine prachtvolle, 1912 eingeweihte Synagoge, die das Zentrum des Gemeindelebens war.
Ab Mitte der 1930er-Jahre allerdings schlug der italienische Faschismus klar antisemitische Töne an. Und am 18. September 1938 stellte Mussolini auf der Piazza dell'Unità - einem der größten Plätze Italiens - vor schätzungsweise 200.000 Menschen die italienischen Rassegesetze vor (siehe auch: Judenverfolgung in Italien).
Ab Juni 1940 häuften sich Beschimpfungen und Überfälle auf Mitglieder der Gemeinde. Die Synagoge wurde ebenfalls Ziel antisemitischer Angriffe, bis sie im Juni 1942 Opfer eines Brandanschlags wurde. Nur das Eingreifen der Feuerwehr verhinderte ihre völlige Zerstörung, doch wertvolles Inventar war unwiederbringlich verloren.
Mit Beginn der deutschen Besatzung begann die systematische Verfolgung der Jüdinnen und Juden, organisiert von den Spezialisten der Judenjagd unter Odilo Globocnik (siehe dazu die Einführung zur Region Friaul-Julisch Venetien). Die erste Razzia fand am 9. Oktober 1943 statt, an Jom Kippur. Zunächst im Triestiner Gefängnis Coroneo oder der Risiera San Sabba „gesammelt", erfolgte von dort aus die Deportation in deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager. „Am 29. des Monats wurden weitere 30 Juden in Triest verhaftet. Neben fortlaufenden sporadischen Festnahmen einzelner Personen folgten 1944 ungeachtet kirchlicher Proteste auch Aktionen gegen Juden, die in Altersheimen (etwa 80 Opfer) bzw. Krankenhäusern und einer psychiatrischen Anstalt der Stadt untergebracht waren (20.1. bzw. 28.3.1944), jedoch nach Verfügungen des italienischen Innenministers von einer Inhaftierung ausgenommen bleiben sollten. Von den Angehörigen der jüdischen Gemeinde Triests, die 1942 noch etwa 3.520 Mitglieder gezählt hatte, von denen die meisten, insbesondere wohlhabende Juden noch hatten flüchten können, haben mindestens 764 den Holocaust nicht überlebt. Lediglich 23 der deportierten Juden kehrten nach Kriegsende zurück, 19 davon nach Triest" (Wedekind, S. 361).
Gedenken
Ehemaliger Sitz der Gestapo an der Piazza Oberdan
Unter den Arkaden des in den 1930er-Jahren für die Versicherungsgesellschaft RAS (Riunione Adriatica di Sicurtà) erbauten Palazzo, in dem während der deutschen Besatzung die Gestapo ihren Sitz hatte, ist eine Gedenktafel angebracht, die die Funktion des Gebäudes während der deutschen Besatzung aufzeigt.
Piazza Guglielmo Oberdan
Palazzo Rittmeyer
An der Fassade des Palazzo Rittmeyer, in dem heute das „Conservatorio di musica Giuseppe Tartini“ untergebracht ist, erinnert eine Tafel an das Verbrechen vom 22. April 1944. Im Inneren ist der sich nach oben windendeTreppenaufgang, an dem die Geiseln erhängt wurden, zu sehen.
Via Ghega 12
Ehemaliger Sitz der Aufsichtsbehörde der öffentlichen Sicherheit
An der Fassade des Gebäudes in der Via Cologna, in dem von Dezember 1944 bis Ende April 1945 die Aufsichtsbehörde der öffentlichen Sicherheit (Ispettorato Speciale di Pubblica Sicurezza) untergebracht war, klärt eine Gedenktafel auch in deutscher Sprache über die frühere Nutzung des Gebäudes auf.
Via Cologna 6-8
Bahnhof
Am Seiteneingang des Bahnhofs von Triest erinnert eine Gedenktafel daran, dass von dort aus Männer, Frauen und Kinder zwischen September 1943 bis Februar 1945 in „nazistische Lager" deportiert wurden.
Via Flavio Gioia
Piazza dell'Unità d’Italia
Dort, wo Benito Mussolini am 18. September 1938 die perfiden italienischen Rassegesetze von einem extra dafür errichteten Rednerpodest herab verkündet hat, wurde im September 2013 neben der Fontana dei quattro continenti (Brunnen der vier Kontinente) auf der Piazza dell'Unità d’Italia eine an dieses Ereignis erinnernde Gedenkplatte in den Boden eingelassen.
Synagoge
Während der deutschen Besatzung Triests diente die Synagoge als Lager für beschlagnahmtes jüdisches Eigentum aus Geschäften und Wohnungen, deren Besitzer deportiert worden waren.
Nach der Befreiung wurde die Synagoge wieder geöffnet, restauriert und kann im Rahmen ca. einstündiger Führungen von Sonntag bis Mittwoch besichtigt werden (Näheres dazu siehe: „Einrichtungen").
Via San Francesco 19
Jüdischer Friedhof
Auf dem jüdischen Friedhof in der Via della Pace 41, nicht weit von dem ehemaligen Lager der Risiera San Sabba, erinnert ein Marmordenkmal an Namen, Geburts- und Todesjahr der Opfer des Holocaust.
Stolpersteine in Triest
Am 23. Januar 2018 - 80 Jahre nach Verkündung der italienischen Rassegesetze - wurden in Triest erstmals Stolpersteine zur Erinnerung an Opfer des Holocaust verlegt: Auf der Piazza Giotti 1 drei Steine für Mitglieder der Familie Berger Montanari, die in Auschwitz ermordet wurden; auf der Piazza Cavana 3 sechs Steine für Mitglieder der Familie Vivante, von denen nur die jüngste, Diamantina Vivante, die Deportation nach Ravensbrück/Auschwitz überlebte; auf der Piazza della Borsa sechs Steine für Mitglieder der Familie Marcheria, von denen drei in Auschwitz umgebracht wurde, die drei anderen die Befreiung in Dachau/Ravensbrück erlebten. Ein weiterer Stolperstein wurde an der Synagoge in der Via San Francesco 19 für Carlo Morpurgo verlegt, der seit 1938 als Generalsekretär der jüdischen Gemeinde fungierte und bis zu seiner Verhaftung am Januar 1944 auf seinem Posten blieb. Für über ein halbes Jahr im Coroneo-Gefängnis inhaftiert, wurde er anschließend nach Auschwitz deportiert und dort wenig später ermordet. Die Aufschrift seines Steins beginnt mit den Worten „Qui lavorava" (Hier arbeitete).
Via d'Azeglio
An der Fassade des Hauses in der Via d'Azeglio erinnert eine Tafel an die vier Opfer des 28. März 1944.
Via d'Azeglio 13
Justizpalast
Am heutigen Justizpalast auf dem Foro Ulpiano 1, während der deutschen Besatzung Sitz des „Obersten Kommissars“ der Operationszone Adriatisches Küstenland, Friedrich Rainer, erinnert nichts an seine damalige Funktion.
Carcere del Coroneo
Das Triestiner Gefängnis Coroneo „durchliefen" zwischen Herbst 1943 und Ende April 1945 annähernd 20.000 meist politische Gefangene, Wehrdienstverweigerer, Menschen, die bei Razzien denunziert und aufgegriffen wurden etc. (Wedekind, S. 371). Aber auch am noch aktuell genutzten Gefängnis erinnert heute nichts an seine Bedeutung - als Foltergefängnis, Geiselhaftstätte und Sammellager für zur Deportation bestimmte Juden - unter deutscher Besatzung. Es wurde sogar im Januar 2018 umbenannt: Namensgeber der Kaserne ist nun Ernesto Mari, jener Mann, der das Gefängnis für die deutschen Besatzer leitete und nach Abzug der deutschen Truppen getötet wurde.
Via del Coroneo 26
Einrichtungen:
Istituto Regionale per la storia del movimento di liberazione nel Friuli e Venezia Guilia, Salita di Gretta 38, Villa Primc, Triest, Tel.: +39-040-44004, e-mail: [email protected], www.irsml.eu. Im Geschichtsinstitut der Region Friaul-Julisch Venetien stehen weiterführende Informationen, Literatur und Dokumente zur Verfügung. Die Öffnungszeiten können der Homepage des Instituts entnommen werden.
Synagoge von Triest, Via San Francesco 19, Triest, Tel.: + 39 040 371466, e-mail: [email protected], www.triestebraica.it. Die Synagoge kann im Rahmen ca. einstündiger Führungen von Sonntag bis Mittwoch von Einzelpersonen, von Sonntag bis Donnerstag von Gruppen, für die eine Anmeldung obligatorisch ist, besichtigt werden.Führungen über den jüdischen Friedhof in der Via della Pace 41 werden nach vorheriger Anmeldung angeboten.Einzelheiten können der Homepage der jüdischen Gemeinde entnommen werden.
Museo della Comunità ebraica “Carlo e Vera Wagner”, Via del Monte 5/7, Triest, Tel.: +39 040 633819, e-mail: [email protected]. Das Museum zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Triests ist von Montag bis Freitag geöffnet. Die Öffnungszeiten sind der Homepage der jüdischen Gemeinde zu entnehmen: www.triestebraica.it.
Literatur / Medien:
Fransecky, Tanja von / Rudorff, Andrea / Schneider, Allegra / Stracke, Stephan (Hg.): Kärnten, Slowenien, Triest. Umkämpfte Erinnerungen. Bremen 2010; Knittel, Susanne: Unheimliche Geschichte - Grafeneck, Triest und die Politik der Holocaust-Erinnerung, Bielefeld 2018; Wedekind, Michael: Nationalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien. 1943 bis 1945. Die Operationszonen „Alpenvorland“ und „Adriatisches Küstenland“ (= Militärgeschichtliche Studien. Bd. 38), München 2003; Un percorso (2006); Führer "Triest und sein Umland, Touring Editore 2011, S. 70; Dizionario della Resistenza, nuova edizione, a dura di Enzo Collotti, Renato Sandri e Frediano Sessi, Einaudi, Torino 2006; S. 214 ff.;
Istituto Regionale per la storia del movimento di liberazione nel Friuli e Venezia Guilia (Hg.): Un percorso tra le violenze del novecento nella Provincia di Trieste, Triest 2006; Associazione Nazionale Partigiani d'Italia - Comitato Provinciale di Trieste; Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia;
ilpiccolo.gelocal.it/trieste/cronaca/2018/01/23/news/lastre-della-memoria-in-tre-piazze-e-una-via-di-trieste-per-le-vittime-dei-lager-1.16386567;
www.triesteprima.it/cronaca/carcere-coroneo-intitolato-ernesto-mari-occupazione-nazista-25-gennaio-2018.html;