Die strategische Zielsetzung des Eroberungs- und Vernichtungskriegs lautete: „Lebensraum im Osten“ und „rücksichtslose Germanisierung“. Deren Verwirklichung trat mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Jun 1941 in seine entscheidende Phase, er schloss die kurzfristige kriegswichtige, jedoch langfristig geplante Ausbeutung der von Deutschland besetzten Länder ein. Die baltischen Staaten mit Litauen bildeten keine Ausnahme. Die für diese irrwitzige Zielsetzung völlig unzureichende Personalausstattung der deutschen Besatzung führte rasch zu der Notwendigkeit, mit der vorgefundenen litauischen Administration zu kooperieren. Aufgabe der Besatzungsverwaltung im Reichskommissariat Ost (RKO) war, „die deutsche Wehrmacht an der Nordfront und in Teilen Weißrusslands (zu) versorgen.“ (Dieckmann). Dies bedeutete die Beschlagnahme der landwirtschaftlichen Ernte und des Viehbestandes schon im Sommer/Herbst 1941, erstreckte sich aber ebenso auf Einbeziehung der Produktion der gewerblichen Wirtschaft und auf die zwangsweise Heranziehung von Arbeitskräften. Die deutsche Zivilverwaltung sollte aus der litauischen Land- und gewerblichen Wirtschaft „herausholen“, was für die Versorgung der deutschen Wehrmacht „herauszuholen“ war. Schon im Juli 1942 wurden etwa 15.000 Litauer in die Landwirtschaft und die Rüstungsbetriebe im damaligen Ostpreußen deportiert. Im Dezember 1941 wurde für alle Männer im Alter zwischen 18 und 45 Jahren die Arbeitsverpflichtung verordnet. Im September 1943 arbeiteten über 37.000 litauische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Deutschland, ein halbes Jahr später war die Zahl auf über 51.000 angewachsen. Nach der militärischen Wende zugunsten der Roten Armee 1943 (Niederlage in Stalingrad) und mit zunehmenden Gebietsverlusten für die zurückgetriebenen deutschen Truppen führte der Druck auf die ablieferungspflichtigen Betriebe in Litauen zu drakonischen Maßnahmen bis hin zu Massenerschießungen von Bauern.

Obwohl bereits im Februar 1943 Pläne zur Vernichtung aller wehrwirtschaftlich relevanten Lager und Einrichtungen in den besetzten Gebieten vorlagen, war die deutsche Zivilverwaltung wegen des schnellen Vorrückens der Roten Armee in der Endphase des Eroberungskriegs 1944 nur insoweit mit Zerstörungen „erfolgreich“, als sie weit hinter den Planungen zurückblieben. Richtlinien für solche Zerstörungen sahen vor, der vorrückenden Roten Armee nur Gebiete zu überlassen, die nicht mehr genutzt werden konnten. Dies bedeutete einerseits die Zerstörung aller dort nutzbaren Einrichtungen, andererseits „Mitnahme“ von „nutzbarer Bevölkerung“. Diese Richtlinien galten auch für Litauen, konnten dort jedoch von der Besatzungsverwaltung wegen des raschen sowjetischen Vormarsches nur teilweise realisiert werden. Am Ende entstand ein logistisches Chaos: Betriebsteile, die in Richtung Reichsgebiet transportiert wurden, Viehherden, Maschinen- und Lebensmitteltransporte und dazwischen überall flüchtende Menschenmassen trafen aufeinander.

Litauen wurde im Sommer 1944 Frontgebiet, große Teile der Fabriken, Kraftwerke, Infrastruktur, Brücken, Bahnlinien und Eisenbahnen, öffentliche Gebäude, ganze Dörfer und Stadtteile wurden in den Rückzugs- bzw. Rückeroberungsgefechten beschädigt und zerstört. Die Gesamtschäden waren nur deshalb nicht noch höher, weil die deutsche Besatzungsverwaltung „zu spät“ mit den geplanten Vernichtungsmaßnahmen begonnen hatte. Ein wesentlicher Teil der ökonomischen Zerstörung bei war bei Kriegsende in Litauen allerdings schon deshalb längst unwiderruflich, weil über 200.000 Litauerinnen und Litauer nie wieder einen Beitrag zum Wiederaufbau leisten konnten – sie waren im Massenmord an der jüdischen Bevölkerung des Landes ausgelöscht worden.

Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Bd. 1, S 608 ff. (Zitat S. 538); Bd. 2, S. 1381; S. 1497, S. 1503 f.; Gräfe, Karl Heinz, S. 208 f.