Die deutsche Besatzungsverwaltung – das Reichskommissariat Ost (RKO) und das für Litauen zuständige Generalkommissariat musste aus Gründen des flächendeckenden Personalbedarfs auf die Mitarbeit der litauischen Verwaltungsbehörden bauen, ohne politische Zugeständnisse im Sinne von nationaler Unabhängigkeit zuzulassen. Diese Zielsetzung führte am 3. August 1941 zur Absetzung der provisorischen litauischen Regierung und zur Etablierung von Generalräten, die mehrheitlich der Litauischen Nationalpartei (LNP) angehörten, der faschistischen Partei Voldemaras (Eiserner Wolf). Den neun Generalräten waren die litauischen Kreis- und Gemeindeverwaltungen untergeordnet, die gleichzeitig jedoch den deutschen Gebietskommissariaten unterstellt waren. Die von der deutschen Besatzungsmacht vorgefundene Verwaltungsstruktur war von Beginn an von der Kontinuität litauischer Nationalisten und profaschistischer Kollaborateure bestimmt, die in zahlreichen Fällen mit der einmarschierenden Wehrmacht aus ihrem vorübergehenden Exil in Deutschland nach Litauen zurückgekehrt waren. Die litauischen Zivilverwaltung, insbesondere die Kreisverwaltungen wurden auf diese Weise zur Schaltstelle zwischen den deutschen Gebietskommissariaten und den litauischen Kreis- und Ortsverwaltungen, die ihrerseits Weisungsbefugnis gegenüber der Polizei besaßen. Das auf dem Stand von 1940 (vor Beginn der sowjetischen Annexion Litauens) wieder in Kraft gesetzte litauische Verwaltungsrecht stand generell unter dem Vorbehalt deutscher Anweisungen und Interessen. Die litauische Verwaltung wurde so zu einem perfekten Instrument der deutschen Besatzungspolitik und in vielen Fällen zum Kollaborationsinstrument bei der lokalen und regionalen Ghettoisierung und Vernichtung der litauischen Juden. Viele der zahllosen Massaker wurden auf Anordnung der SS-Sicherheitspolizei – insbesondere dem SS-Einsatzkommando 3 in Kaunas – von kommunaler Polizei oder litauischen Hilfstruppen vorbereitet, begleitet und ausgeführt, wenn auch oft unter Anwesenheit oder auch unter dem Befehl deutscher SS.
Literatur:
Christoph Dieckmann (2011), Bd. 1, S. 467 ff.; ders.: Grundzüge der Besatzungspolitik in Litauen 1941 bis 1944, in: Bartusevicius u.a.: Holocaust in Litauen (2003), S. 63 ff.; Karl Heinz Gräfe, S. 170 ff.