„Wir fühlten uns frei“ (Cécile Ouzoulias-Romagon)
Nach der Befreiung wurden in Frankreich 1.030 Männer und nur sechs Frauen zum Compagnon de la Libération (höchste Auszeichnung) ernannt. Zahlen über den Frauenanteil an der Résistance belaufen sich um die zehn bis zwanzig Prozent – eine untertriebene Zahl. In der Literatur und der Forschung zur Résistance kommen Frauen immer noch wenig vor. Sie sind nicht mehr die Vergessenen der Geschichte; dazu hat die Frauenforschung seit den 1970er Jahren einen entscheidenden Beitrag geleistet. Aber ihre geschichtliche Rolle wird oft geringer bewertet als die der Männer, denn der französische Widerstand wurde bisher meist unter dem militärisch-bewaffneten Aspekt betrachtet. Rund 96 % der Widerstandskämpferinnen gehörten dem zivilen Widerstand an. Nicht berücksichtigt wurde zudem, dass der bewaffnete Widerstand ohne den Rückhalt in der Bevölkerung nicht möglich gewesen wäre, dass hinter jedem Widerstandskämpfer eine oder mehrere Frauen standen. Auch dass Frauen meist „im Schatten” arbeiteten, im Hintergrund und im Untergrund, und die Erinnerung an sie daher im Schatten der Geschichte blieb: auch aufgrund ihrer Bescheidenheit – „Ich habe nichts Besonderes gemacht“, aufgrund ihrer Anonymität – sie waren oft versteckt, hatten mehrere Identitäten –, aufgrund ihrer Anspruchslosigkeit im Nachkriegsfrankreich – sie meldeten sich nicht bei der Vergabe von Auszeichnungen. Und weil sie meist eine spezifische Form des Widerstands (ziviler Ungehorsam) leisteten – sie sicherten das Überleben der Familien, halfen Verfolgten und Unterdrückten – was nicht als Widerstand betrachtet wurde.
Frauen haben sich an allen Aktionen beteiligt, Verantwortung übernommen, besondere Formen des Widerstands entwickelt, und auch selbst mit Waffen gekämpft.
Die Résistance, das sind nicht nur die mutigen Taten bekannter Frauen wie der Christin Berty Albrecht, der Sozialistin Suzanne Buisson oder der Kommunistin Danielle Casanova. Das sind die vielen kleinen und großen, bewussten und weniger bewussten Aktionen der Frauen, „die vielen kleinen Hände der Résistance, welche die kaputten Netze heimlich wieder zusammenflickten“ (Madeleine Riffaud).
Wer waren die Frauen? Es waren vor allem Frauen aus der Arbeiterschaft und aus der Arbeiterbewegung, die sich im Widerstand engagierten. Aber es gab auch Französinnen aus den Mittelschichten und aus dem Großbürgertum.
Die wichtigsten Tätigkeitsbereiche der Frauen waren der Kurierdienst, die Untergrundpresse und die Fluchthilfe.
Beim Kurierdienst hieß es: Transportieren von illegalen Zeitungen oder Waffen. Beim Verbindungsdienst sollte der Kontakt zwischen der Führung und den einzelnen Gruppen gehalten werden. Es hieß falsche Papiere beschaffen, Informationen weitergeben, im Untergrund lebende Widerstandskämpfer versorgen. Die Rettung von jüdischen Kindern und Flüchtlingen (Verstecke, Fluchtwege finden) musste organisiert werden.
Beim „Kampf mit dem Wort“ spielten Frauen ebenfalls eine wichtige Rolle: bei Flugblättern und Zeitungen und bei der literarischen Resistance (Herstellung, Druck, Lagerung und Verteilung, aber auch als Verfasserinnen und Herausgeberinnen wie Elsa Triolet und Edith Thomas). Es gab außerdem zahlreiche Frauenzeitungen und Flugblätter der Frauenkomitees die sich an Frauen wandten.
Die Netzwerke der Fluchthilfe (Beherbergung, Versorgung und Begleitung) wurden oft von Frauen geleitet und es war auch wohl „eines der gefährlichsten Einsatzgebiete der Resistance“ (Corinna von List). Das Flucht-Netzwerk Comète wurde von der Belgierin Andrée de Jongh gegründet und geleitet, es gab Organisationen zur Rettung Verfolgter, darunter Cimade (u.a. für Evakuierte aus dem Elsass, jüdische Kinder und Flüchtlinge), und das (ursprünglich jüdische) Rettungswerk für Kinder OSE, beide mit Verbindungen in der Schweiz. Die Hilfe für alliierte Soldaten und französische Kriegsgefangene war besonders gefährlich – viele Frauen haben ihr Engagement für die Résistance mit dem Leben bezahlt.
Die Résistance, das sind die Frauenstreiks und Demonstrationen ab 1940 mit den Forderungen nach Rückkehr der mobilisierten Männer, gegen die Plünderung von Lebensmitteln, gegen das Gesetz zur Entlassung verheirateter Frauen aus der Erwerbstätigkeit. Es sind 1941 und danach die Hausfrauendemonstrationen gegen Preisanstiege, für eine bessere Versorgung, für Ernährungszulagen und für Lohnerhöhungen. Sie waren besonders riskant, so z.B. die Plünderungen von Lebensmittelgeschäften (Lise Ricol-London in der Pariser rue Daguerre).
Es sind 1943 Aktionen, um die Abfahrt der Züge mit den Arbeitsdeportierten zu verhindern (z.B. in Montluçon, Romans). Eine Besonderheit stellen die Volksfrauenkomitees, welche die Hilfe für die Kriegs- und die politischen Gefangenen organisieren. Aus diesen Komitees entstand 1945 die Union französischer Frauen.
Es gab schließlich die Résistance der Deportierten bei der Arbeitsdienstpflicht und in den Konzentrationslagern (z.B. Arbeitsverweigerung, Sabotage, gegenseitige Unterstützung, Organisieren von Medikamenten, Lebensmitteln und Kleidung).
Frauen waren in allen Bewegungen beteiligt, ob in der Gruppe Combat wie Berty Albrecht, in der Gruppe Libération wie Lucie Aubrac, in der Gruppe der FTP wie France Bloch-Sérazin, in der gaullistischen Alliance wie Marie-Madeleine Fourcade, in einer Gruppe des bewaffneten Widerstands wie der Compagnie St Just (Madeleine Riffaud) oder im Jüdischen Kinderhilfswerk wie Marianne Cohn. In der Armee waren sie als Kundschafterinnen, als Partisaninnen und als Produzentinnen von Sprengstoff – wie Jeanne Bohec – vertreten.
Eine besondere Form der Résistance bildete die „Deutsche Arbeit“ (Travail allemand, TA), die im September 1940 für die politische Arbeit unter den Angehörigen der Besatzungsmacht in der besetzten Zone initiiert wurde. Ziel war es, die Deutschen „zu bearbeiten“, d.h. die faschistische Ideologie zu bekämpfen und die Soldaten von der Sinnlosigkeit des Krieges zu überzeugen, kriegswichtige Anlagen und Materialien zu zerstören und eine Friedensstimmung innerhalb der Wehrmacht und der deutschen Dienst- und Verwaltungsstellen zu schaffen.
Und es gab eigenständige Frauengruppen der Résistance wie die Union Junger Frauen UJFF, der Frauentrupp der MOI, der bewaffneten Einheiten der FTP, der Korps der freiwilligen Französinnen sowie eine Frauensektion der Armee (ab 1944).
Nicht zu vergessen sind die Widerständigkeiten im Alltag wie das verbotene Singen der Marseillaise, das Erzählen von Witzen oder das Sich-Kleiden in blau-weiß-roten Kleidern. Frauen leisteten Widerstand aus den verschiedensten Motiven heraus: aus religiösen, moralischen, weltanschaulichen oder politischen Gründen; oft nahmen sie den Platz verschwundener, verhafteter oder getöteter Angehöriger und Freunde ein.
Auffallend ist, zumindest unmittelbar nach dem Krieg, die ausdrückliche verbale Anerkennung der Rolle und Bedeutung der Frauen in der Résistance. Dies kommt nicht nur im Frauenwahlrecht zum Ausdruck, sondern u.a. auch in der Berufung von Frauen auf Posten, in den Aussagen von Politikern, in der Literatur. Es entstand ein neues Frauenbewusstsein, das in der Résistance seine Identität schöpfte und u.a. seinen Ausdruck in Literatur und Medien fand – der Begriff Résistant war im Nachkriegsfrankreich ein Ehrentitel. Die Résistance erwies sich als identitätsstiftend: Französinnen konnten aus ihr eher Selbstbewusstsein schöpfen.
Literatur/Medien
Collins Weitz, Margaret: Les combattantes dans l’ombre, Paris 1997 ; dt. : Frauen in der Résistance, Münster 2002.
Gilzmer, Mechtild / Levisse-Touzé, Christine / Martens, Stefan (dir.): Les femmes dans la Résistance en France, Actes du colloque international de Berlin, Paris 2003.
Goldenstedt, Christiane: Les femmes dans la Résistance. Herbolzheim 2006.
Guidez, Guylaine : Femmes dans la guerre, 1919–1945, Paris 1989.
Hervé, Florence: „Wir fühlten uns frei“. Deutsche und französische Frauen im Widerstand. Essen 1997.
List, Corinna von: Frauen in der Résistance 1940–1944. „Der Kampf gegen die ‚Boches‘ hat begonnen!“, Paderborn-München-Wien-Zürich 2010.
Morin-Rotureau, Évelyne (dir.): 1939–1945: combats de femmes, Françaises et Allemandes, Les oubliées de la guerre, Paris 2001.
Plener, Ulla (Hg.): Frauen aus Deutschland in der französischen Résistance, Berlin 2005.
Rameau, Marie: Des femmes en résistance 1939–1945, Paris 2008.
Rossiter, Margaret: Women in the Résistance, New York 1986.
Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2005, S. 884ff.
http://de.wikipedia.org/wiki/Frauen_in_der_R%C3%A9sistance
www.plaques-commemoratives.org/plaques/topics/all_femmes
*Quelle: www.leportaldutimbre.fr