Plan der Entführung, Grafik: W. Stanley Moss, wikipedia/cc-by-saAuf Kreta reichten die Planungen der SOE (Special Operations Executive, britische nachrichtendienstliche Spezialeinheit) für eine Generalsentführung bis ins Jahr 1942 zurück, mussten aber wegen langwieriger Vorbereitungen immer wieder zurückgestellt werden. Zunächst war an die Entführung des Festungskommandanten General Andrae gedacht worden; nach dessen Absetzung fokussierten sich die Planungen auf den Kommandanten der 22. Infanterie-Division General Müller. Mit der Entführung dieses, wegen der vielen „Vergeltungsmaßnahmen“ an der Bevölkerung (u.a. im Raum Viannos) verhassten hohen deutschen Offiziers sollte neben der Verunsicherung der Besatzungsmacht auch die Widerstands-Moral der Kreter gestärkt werden. Da sich die Vorbereitungen für dieses Unternehmen jedoch weiter verzögerten, war Müller bereits von der Insel abberufen, als sich der Plan realisieren ließ. Stattdessen wurde sein noch ganz unbekannter Nachfolger General Kreipe entführt.
Am Abend des 26. April 1944 gelang es den in deutsche Uniformen gekleideten britischen Offizieren Patrick Leigh Fermor und William Stanley Moss, das Auto von General Kreipe auf dem Rückweg vom Stützpunkt in Ano Archanes in sein Quartier in Knossos anzuhalten. Mit Hilfe von mehreren direkt an dieser Handlung beteiligten Kretern (u.a. Manolis Paterakis und Georgios Tyrakis) wurden der General und sein Chauffeur Alfred Fenske überwältigt. Der Fahrer wurde von Kreipe getrennt; eine Kleingruppe sollte mit ihm in Richtung Berg Ida gehen und dort wieder mit den anderen zusammen treffen. Unterwegs wurde er aus nie ganz geklärten Umständen getötet. Der Hauptgruppe um Fermor und Moss gelang es, 22 deutsche Posten und Iraklio unbehelligt zu passieren. Danach wurde der Wagen - in dem Fermor eine Botschaft hinterließ, dass es sich um ein rein britisches Unternehmen handelte, um „Vergeltungsmaßnahmen“ an der Zivilbevölkerung möglichst auszuschließen - nahe der Nordküste stehengelassen: Die Deutschen sollten glauben, Kreipe sei von dort aus auf einem U-Boot außer Landes gebracht worden.


Monument an der Stelle der EntführungDanach machten sich Fermor, Moss, ihre Unterstützer und General Kreipe zu Fuß auf den Weg zur Südküste, der über Anogia, die Nida-Hochebene, das Amarital und Gerakari mit vielen Umwegen nach insgesamt 18 Tagen an den Strand von Peristeres nahe Rodakino führte. Von dort wurden sie am 15. Mai 1944 an Bord eines britischen Motorbootes nach Marsa Matruk/ Ägypten gebracht.
Über Kairo und London wurde Kreipe zunächst ins Gefangenenlager Trent Park in England, später nach Kanada gebracht und im Oktober 1947 aus der Kriegsgefangenschaft nach Deutschland entlassen.
Im Jahr 1971 - also während des Regimes der Militärjunta - trafen sich Kreipe, Fermor und einige an der Entführung Beteiligte in Athen.

Dies „Husarenstück“, wie Kreipe selbst seine Entführung nannte, gilt auf Kreta als ein großer Erfolg gegen die deutsche Besatzungsmacht. Stanley Moss veröffentlichte über die Entführung 1950 das Buch I'll Met by Moonlight, das 1957 von Michael Powell mit Dirk Bogarde in der Rolle Fermors verfilmt wurde. Der Bericht, den Patrick Leigh Fermor, für das Unternehmen mit zwei Orden ausgezeichnet und zum Ehrenbürger von Iraklio ernannt, darüber nach dem Tod von Moss 1966/ 67 schrieb, wurde in ungekürzter Version erstmals im Jahr 2014 veröffentlicht (2015 erschien er auf deutsch unter dem Titel Die Entführung des Generals).

Literatur / Medien:
Leigh Fermor, Patrick: Die Entführung des Generals, Zürich 2015; Moss, W. Stanley: Ill met by moonlight, London 1950 (letzte Auflage von 2015); Prescher, Hans: General Kreipe wird entführt, Mähringen 2007; Xylander, Marlen von: Die deutsche Besatzungsherrschaft auf Kreta 1941-1945, Freiburg 1989, S. 123-124; www.youtube.com/watch?v=8zlUhJwddFU (Ausschnitt aus der im griechischen Fernsehen 1972 gesendeten Begegnung zwischen Fermor und Kreipe)