Schweinberger, geboren am 15.04.1916 in Posen, SS-Oberscharführer, war im Juni 1941 zunächst in Kaunas in der Zentrale des SS-Einsatzkommandos 3 eingesetzt, von Juli 1941 bis Januar 1942 bei dessen Außenstelle in Vilnius; er war SS-Verbindungsmann zum litauischen Sonderkommando Vilnius (Ypatingas Burys). Auf Anordnung des Stadtkommissars Hans Christian Hingst leitete Schweinberger am 31. August 1941 die Aktion „Große Provokation“, in der die Bewohner des alten jüdischen Wohnquartiers in Vilnius in Paneriai (Ponary) ermordet wurden, um Platz für die Errichtung des Ghettos zu schaffen. Im Herbst 1941 war Schweinberger an Planung und Ausführung der Massenmorde in Paneriai beteiligt.
Über Horst Schweinberger schreibt der Zeitzeuge Abraham Sutzkever bereits im Jahr 1944: „Am nächsten Tag sehr früh kam Schweinenberg [ins Lukiskes Gefängnis], mit aufgekrempelten Ärmeln wie ein Metzger, und hielt eine Riemenpeitsche in der Hand. Er stellte sich inmitten des Saales auf den Körper einer bewusstlosen Frau, er befahl, dass sich alle mit dem Gesicht zur Wand kehren sollten, und warnte: ‚Wer den Kopf dreht, den werde ich zu Tode foltern!‘ Er schlug mit seiner Nagaika und befahl: ‚Aufstehn! Setzen! Aufstehn! Setzen!‘ Eine Frau erhängte sich an den Windeln ihres Kindes. Menschen fielen in Ohnmacht. Man wartete auf den Tod wie den einzigen Erlöser. Doch einen leichten Tod gönnte uns Schweinenberg nicht“ (Sutzkever 2009).
In seinem Bericht von 1944 beschreibt Sutzkever Schweinberger als „Schönling“ und „zart beseiteten Kunstliebhaber“: „Er war groß und elegant und hatte eine zarte Haut wie ein Mädchen. ... Schweinberger gab sich außerordentlich gefühlvoll: Als er eines Tages hörte, wie eine jüdische Frau bei der Arbeit sang, schenkte er ihr eine goldene Brosche, die er gerade einer Ermordeten abgenommen hatte. ‚Ihr Gesang hat mich zu Tränen gerührt‘, sagte er“ (Schwarzbuch 1994).
Der Versuch, Schweinberger nach 1945 vor Gericht zur Verantwortung zu stellen, scheiterte. Der Antrag auf Voruntersuchung wurde vom Landgericht Wiesbaden im Januar 1973 zurückgewiesen, da das Verhalten von "H. Sc. nicht den Tatbestand der Beihilfe zum Mord erfülle“ (Curilla 2006, S. 317). Das Gericht argumentierte, Schweinberger habe sich von Anfang bis 25. Oktober 1941 in Urlaub befunden und könne deshalb für die Liquidierungsmaßnahmen in diesem Zeitraum nicht verantwortlich gemacht werden. Diese 1973 ausgesprochene Entlastung ist angesichts der seit Mitte der 1980er Jahre und später veröffentlichter Dokumente und Zeugenaussagen schwer zu ertragen. Curilla kommt zu dem Schluss, dass unter Zugrundelegung des Jäger-Berichts und anderer nachweislicher Exekutionen unter Beteiligung Schweinbergers und ohne Berücksichtigung des Monats Oktober 1941 Schweinberger an der Tötung von mindestens 18.000 Juden mitgewirkt hat.
Literatur /Medien
Arad, Yitzhak: Ghetto in Flames. The Struggle and Destruction of the Jews in Vilna in the Holocaust, New York 1982; Curilla, Wolfgang: Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum und in Weißrussland 1941–1944, Paderborn 2006, S. 314–317 (Opferzahlen S. 317 FN 115); Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 991f.; Sutzkever, Abraham: Wilner Getto 1941–1944, Zürich 2009 (Zitat S. 35/36, über die Große Provokation S. 33–35); Ders. in: Grossman, Wassili / Ehrenburg, Ilja (Hg): Das Schwarzbuch. Der Genozid an den sowjetischen Juden, Frankfurt/M. 1994 (Zitat S. 464ff.)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ghetto_Vilnius
https://en.wikipedia.org/wiki/Vilna_Ghetto
Foto: Yad Vashem, Digital Archives, Archival Signature: FA245/10/98
Isaak Kagan über seine grauenhaften Erfahrungen im Lukiškės Gefängnis, in Ponary und mit Schweinberger:
http://Yad Vashem/Isaak Kagan/p.1
http://Yad Vashem/Issak Kagan/p.2
http://Yad Vashem/Isaak Kagan/p.3
(Quelle: Yad Vashem, Mersik-Tennenbaum Archive, File No. 23, Item ID 3714356)