Region Venetien / Provinz Padua
Die Stadt
Der Hauptort der venetischen Provinz Padua liegt am Rande der Poebene 30 km westlich von Venedig. Padua ist eine der ältesten Städte Italiens und hat etwas mehr als 200.000 Einwohner/innen.
Akademische Mitarbeiter und Studenten der bereits im Jahr 1222 gegründeten Universität der Stadt beteiligten sich so stark am Kampf gegen Mussolinis faschistisches Salò-Regime und die deutsche Besatzung, dass die Universität Padua - als einzige in Italien - mit der Medaglia d'oro al valor militare ausgezeichnet wurde.
Padua liegt an der Autobahn A4 Mailand–Venedig.
Die Ereignisse
Zwei Tage nach der Bekanntgabe der italienischen Kapitulation wurde Padua am 10. September 1943 von deutschen Truppen besetzt. Die Feldkommandatur 1004 nahm ihren Sitz im Palazzo Bembo Camerini in der Via Altinate, die Gestapo residierte in der Via Diaz 9, die Platzkommandatur im Palazzo Romanin Jacur.
Erster Widerstand und Fluchthilfe
Wenige Tage nach Beginn der deutschen Besatzung konstituierte sich Mitte September 1943 in Padua das Befreiungskomitee der Region Venetien (CLN, Comitato di liberazione nazionale regionale veneto). Zu dessen Gründungsmitgliedern gehörten Professor Egidio Meneghetti (Leiter des Pharmakologischen Instituts der Uni), Professor Concetto Marchesi (gerade eingesetzter neuer Rektor der Uni) und der aus dem französischen Exil heimgekehrte Silvio Trentin. Am 25. September 1943 erschien die erste Nummer der Untergrundzeitung des CLN Venetien „Fratelli d'Italia". Ende September 1943 fand ein erstes Treffen zur Organisierung des auch militärischen Widerstands statt, an dem neben Adolfo Zamboni (Weltkriegsveteran und CLN-Mitglied) auch Mario Todesco und Flavio Busonera teilnahmen (die beiden letztgenannten wurden später umgebracht).
Zur Rettung der vielen italienischen Soldaten vor der drohenden Deportation in deutsche Zwangsarbeitslager (siehe auch: „Italienischen Militärinternierten“ (IMI) und Cittadella della Memoria), der über 1.000 früheren alliierten Kriegsgefangenen und der von Deportation in deutsche Vernichtungslager bedrohten Jüdinnen und Juden entstand direkt nach der deutschen Einnahme Paduas ein weitgespanntes Netz an Fluchthelfern um Pater Placido Cortese (1907-1944). Maßgeblich unterstützt wurde diese Arbeit von Eisenbahnern und den jungen Studentinnen Teresa und Lidia Martini, die (bis zu ihrer Verhaftung durch die Gestapo im März 1944) viele Flüchtlinge in die sichere Schweiz begleiteten.
Judenverfolgungen und Deportationen
Ende November 1943 begannen die deutschen Besatzer mit den Verhaftungen der in Padua noch ansässigen Jüdinnen und Juden (siehe auch: Judenverfolgung in Italien). Sie wurden zunächst in der explizit zur Verwendung als Sammellager requirierten Villa Contarini Giovanelli-Venier in Vo'Vecchia ca. 30 km südwestlich von Padua inhaftiert (Voigt, S. 348). Die ersten 15 Verhafteten, fast alles ältere Menschen, kamen dort am 3. Dezember 1943 an. Mitte Juli 1944 wurden die im Lager befindlichen 47 Jüdinnen und Juden zunächst zurück nach Padua und von dort aus in das Konzentrationslager Risiera San Sabba in Triest verschleppt. Ende Juli 1944 wurden sie in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Nur drei von ihnen überlebten: Bruna Namais, Ester Hammer Sabbadini und deren Tochter Sylvia.
Die Terrorherrschaft der „Banda Carità" und Eskalation der Gewalt
Nachdem Mario Carità, berüchtigter Kopf einer halboffiziellen faschistischen „Anti-Partisanen-Polizeieinheit“, die in Florenz und Umgebung für zahlreiche Überfälle, bestialische Folterungen und Morde verantwortlich war und unter Führung der deutschen Sicherheitspolizei diese im Rahmen der Bekämpfung des Antifaschismus rege unterstützte, seinen Standort in der Villa Triste in Florenz wegen des Vorrückens der Alliierten aufgeben musste, verlagerte er den Sitz seiner „Banda Carità" im Juli 1944 nach Padua.
Die Villa Giusti in der Via San Francesco war ab diesem Zeitpunkt bis zum Abzug der Deutschen die „Villa Triste" Paduas: Hier folterten diese „Verhörspezialisten" im Auftrag der deutschen Sicherheitspolizei Gefangene, berüchtigt für die Brutalität ihrer Methoden wie die Bande von Pietro Koch in Rom. Zeitweise - als fast die gesamte Führung des Befreiungskomitee der Region Venetien Ende 1944 verhaftet wurde - waren über 70 Häftlinge in den winzigkleinen Zellen des Palazzo Giusti inhaftiert.
Als am 14. August 1944 Bartolomeo Fronteddu, hochrangiger faschistischer Militär, in der Via Santa Lucia von Unbekannten ermordet wurde, entschlossen sich die deutschen Besatzungsbehörden zu einer „Sühnemaßnahme": Sie verurteilten 10 Häftlinge aus den Gefängnissen Paduas zum Tod. Drei von ihnen - darunter der Arzt Dr. Flavio Busonera, der eng mit dem CLN zusammenarbeitete - wurden am 17. August 1944 öffentlich aufgehängt, die anderen sieben im Stadtteil Chiesanuova erschossen.
Zur Abschreckung veröffentlichten sie eine zweisprachige Verlautbarung:
„Kundmachung:
Folgende Sühnemaßnahmen anlässlich der feigen Ermordung des italienischen Oberstleutnant Bartolomeo Fronteddu durch in feindlichem Sold stehende Individuen wurden getroffen:
Es wurden hingerichtet:
Die Bandenführer
1. Dott. Busonera Flavio geboren 28-7-1894
2. Lampioni Clemente " 8-8-1904
3. Calderoni Ettore " 22-5-1915
durch erhängen.
Die Bandenmitglieder
1. Barbiero Primo geboren 23-7-1923
2. Muolo Pasquale " 9-2-1923
3. Pressici Cataldo " 18-7-1905
4. Francolin Antonio " 5-6-1924
5. Panella Franco " 6-3-1905
6. Bandini Saturno " 29-5-1893
7. Pierobon Luigi " 12-4-1922
durch erschießen.
Padua, 17. August 1944"
Später stellte sich heraus, dass Fronteddu einem Anschlag aus den eigenen Reihen zum Opfer gefallen war.
Am 28. April 1945 - die Partisanenbrigaden hatten vorher alle wichtigen Positionen in der Stadt besetzt, die italienischen Faschisten sich bereits am Vortag ergeben - verließen die deutschen Truppen Padua, ohne dass es ihnen gelungen wäre, größere Zerstörungen nach dem Prinzip der „verbrannten Erde" anzurichten.
Gedenken
Jüdisches Ghetto
Im früheren jüdischen Ghetto Paduas - im Jahr 1603 war die jüdische Gemeinschaft in ein von vier Straßenzügen begrenztes Areal gezwungen worden, deren Tore erst unter napoleonischer Herrschaft 1797 abgetragen wurden - erinnert an der Fassade der unzerstört gebliebenen orthodoxen Synagoge eine Gedenktafel an die Opfer des Holocaust.
Via S. Martino e Solferino 13
Am Ort der "deutschen" Synagoge (Sinagoga Tedesca/Scuola Grande), die 1943 zerstört wurde, befindet sich heute das Jüdische Museum. Im großen Saal des Museums werden Filme gezeigt, die über das jüdische Leben in Padua informieren (siehe: Einrichtungen).
Via delle Piazze 26
Palazzo Giusti
An der Fassade des Palazzo Giusti, von Juli 1944 bis April 1945 Sitz und Folterzentrum der berüchtigten „Banda Carità", befindet sich eine Gedenktafel mit dem Liedtext des „Canzone della Nave", verfasst von Egidio Meneghetti, der selbst Gefangener der „Banda Carità" war.
Via San Francesco 89
Palazzo Bo, Universität von Padua
Akademische Mitarbeiter und Studenten haben sich in ganz besonderem Maß am Kampf gegen italienischen Faschismus und deutsche Besatzung beteiligt. Der klar antifaschistischen Ausrichtung der Eröffnungvorlesung des neuen akademischen Jahres am 9. November 1943 vom Rektor der Universität Concetto Marchesi folgte sein späterer Aufruf an die Studenten Paduas, sich dem Widerstand anzuschließen. Über 100 Mitglieder der Universität verloren in diesem Kampf ihr Leben.
Im Innenhof („Cortile Nuovo”) des Palazzo Bo befindet sich eine Gedenktafel mit dem Text der Medaglia d'oro al valor militare, die der Universität - als einzige in Italien - dafür verliehen wurde. Dort befindet sich auch die Concetto Marchesi, Egidio Meneghetti und Ezio Franceschini gewidmete Skulptur "Resistenza e liberazione" von Jannis Kounellis, die zum 50. Jahrestag der Befreiung 1995 geschaffen wurde.
Am 21. Januar 2018 wurden zudem vor dem Nebeneingang des Palazzo Bo sechs Stolpersteine für Studierende und Lehrende der Universität Padua verlegt, die im Rahmen des Holocaust ermordet wurden.
Palazzo Bo, Via VIII Febbraio 1848, 2
Gedenken an die Opfer des 17. August 1944
Dort wo am 17. August 1944 in der Via Santa Lucia Flavio Busonera, Clemente Lampioni und Ettore Calderoni öffentlich aufgehängt wurden, erinnert eine Gedenktafel an dies Ereignis.
Eine Gedenkstätte für die sieben Opfer, die am 17. August 1944 im Hof der Kaserne (Caserma Padova Nord) im Stadtteil Chiesanuova erschossen wurden, befindet sich auf einer kleinen Grünfläche in der Via Sette Martiri. Die Kaserne wurde nach dem Krieg nach einem der Opfer, Luigi Pierobon, benannt.
Via Santa Lucia 37
Via Sette Martiri/Via Giacomo Ciamician
Bahnhof von Padua
Am östlichen Ende von Bahnsteig 1 des Bahnhofs von Padua erinnert eine Gedenktafel an die Deportation der Jüdinnen und Juden aus dem Ghetto in Rom: Nach der großen Razzia vom 16. Oktober 1943 waren zwei Tage später über tausend Männer, Frauen und Kinder in 18 Viehwaggons gepfercht und vom Bahnhof Tiburtina aus Richtung Brenner und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau transportiert worden. Am 19. Oktober 1943 hielt dieser Zug in Padua. Die verzweifelten Schreie der Menschen waren für die sich in der Nähe aufhaltenden Eisenbahner nicht zu überhören: Trotz starker Bewachung der Waggons gelang es einigen von ihnen, die eingepferchten Menschen mit Wasser und etwas Eßbarem zu versorgen. Hier erlebten die aus Rom Deportierten, so die Übersetzung der Inschrift der Gedenktafel, „zum letzten Mal Menschlichkeit".
Piazzale Stazione, Bahnsteig 1
Gedenken an Mario Todesco
An der Stelle, an der Professor Mario Todesco - posthum mit der Medaglia d'Oro al Merito Civile alla memoria ausgezeichnet - am 29. Juni 1944 von Mitgliedern der Schwarzen Brigaden erschlagen wurde, befinden sich zwei Gedenktafeln: eine kleinere an der Außen- eine größere an der Innenseite der Arkaden.
Via Emanuele Filiberto
Gedenken an Silvio Trentin
An der Fassade des Hauses, in dem Silvio Trentin am 19. November 1943 von einer Einheit der faschistischen RSI-Miliz „Ettore Muti" verhaftet wurde, erinnert eine Gedenktafel an dieses Ereignis.
Via del Santo 47
Gedenken an Placido Cortese
Das Gedenken an Pater Placido Cortese, dem im Juni 2017 posthum die Medaglia d'oro al merito civile verliehen wurde, wird an vielen Orten Paduas wachgehalten: In einem der Kreuzgänge der Basilica di Sant’Antonio mit seiner Büste und einer kleinen Gedenktafel, mit einem Gedenkstein in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslager im Stadtteil Chiesanuova, mit dem vor allem seine seelsorgerische Arbeit für die dort inhaftierten Slowenen und Kroaten geehrt wird, und mit einer Gedenkstele und einem für ihn gepflanzten Baum im Giardino dei Giusti del Mondo von Padua (siehe: Cittadella della Memoria).
Gedenken an die Konstituierung des militärischen Widerstands
An dem Haus, in dem Ende September 1943 ein erstes Treffen zur Organisierung des auch militärischen Widerstands stattfand, erinnert eine Tafel an dieses Ereignis.
Via Michele Sanmicheli 53
Piazza Insurrezione XXVIII Aprile '45
An der Piazza Insurrezione, der früheren Piazza Spalata, erinnert eine Tafel an den Aufstand (Insurrezione) vom 28. April 1945, mit dem der letzte Widerstand der deutschen Truppen gebrochen und eine Zerstörung Paduas bei deren Abzug verhindert wurde.
Piazza Insurrezione XXVIII Aprile '45, 3
Stolpersteine in Padua
Außer den vor dem Palazzo Bo verlegten Stolpersteinen für Mitglieder der Universität, die Opfer des Holocaust geworden sind, wurden bereits ab Januar 2015 Stolpersteine in der Via San Martino e Solferino 9 und in der Via Petrarca 15 in den Boden eingelassen.
Weitere Gedenkorte in Padua:
- Cittadella della Memoria (zusammenfassender Begriff für das Museo dell’Internamento, den Tempio nazionale dell'internato ignoto und den Giardino dei Giusti del Mondo)
- Ex-Konzentrationslager Chiesanuova
Einrichtungen:
Centro di Ateneo per la storia della Resistenza e dell'età contemporanea, Palazzo Levi Cases, 35123 Padua, via del Santo, 33, E-Mail: [email protected], www.casrec.unipd.it.
Museo della Padova Ebraica, Via delle Piazze 26, Tel: 049 8751106, E-Mail: [email protected], moked.it/padovaebraica/museo-della-padova-ebraica.
Museo dell’Internamento, Viale dell’Internato Ignoto 24, 35128 Padova, Tel.: 049 8033041 und 049 688337, E-Mail: [email protected], www.museodellinternamento.it.
Literatur / Medien:
Feltrin, Francesco: La lotta partigiana a Padova e nel suo territorio, Padua 2017; Gentile, Carlo: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943–1945. Paderborn 2012; Voigt, Klaus: Zuflucht auf Widerruf – Juden und andere Verfolgte des Hitlerregimes in Italien 1933–45, Band 2, Stuttgart 1993; Auszug aus der deutsch-italienischen Datenbank „Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia" für die Ermordungen vom 17. August 1944; it.wikipedia.org/wiki/Banda_Carità; it.wikipedia.org/wiki/Campo_di_concentramento_di_Vo'_Vecchio (mit den Namen der deportierten Jüdinnen und Juden); Ausgaben der Untergrundzeitung „Fratelli d'Italia"